Clear Green Vinyl

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The question isn't "What are we going to do?", the question is "What aren't we going to do. (Ferris Bueller)

Dienstag, März 28, 2006

I love my m&m's!

Es wird Zeit eine jahrzehntelange Liebe endlich ans Tageslicht zu zerren. Hier steckt echte Leidenschaft und bedingungslose Treue drin! Heute möchte ich der besten Süßigkeit der Welt huldigen - den m&m's! Es ist natürlich ganz schön kühn, die beste Süßigkeit der Welt auszurufen, aber m&m's ist einfach die einzige, von der ich auch nach 10 Jahren Dauerkonsum noch nicht genug habe! Sie hat allerdings unbestritten viele Gegner: butterweiche, zartbittere, leicht gekühlte Kokosflocken z.B.! Rafaello ist auch so eine, die an der bunten m&m's Kruste kratzt, sie aber nicht durchbricht. Und auch das wichtigste DDR-Überbleibsel, die Knusperflocke vermag es nicht am Thron zu wackeln. Diese süße Kös!

Außerdem haben die m&m's einiges durchgemacht was man würdigen sollte. Das Design wurde für verschiedenste, merkwürdige Spielzeuge missbraucht, ihnen wurden Gesichter gegeben (wer will schon, dass seine Nahrung ein Gesicht hat? Siehe Gesichtswurst!), sie gingen verpackungsmäßig durch die unterschiedlichsten Metarmophosen (u.a. als kaum zu erkennende, an der Kasse ausliegende 25 Gramm Beutelchen oder als auf dem Rücken zu tragender 500g Sack...). Auch die Emmis selber haben verschiedene Größen. Neben der normalen, leicht dinnierbaren Einheitsgröße gibt es die winzigen Taschen-m&m's in der Röhre, bei denen man schon beim anfassen aufpassen muss, dass sie nicht kaputtgehen. Und als wäre das alles nicht genug wurde den m&m's gleich am Anfang ihrer Karriere eine Marketinglüge mit auf den Weg gegeben: Sie schmelzen im Mund, nicht in der Hand. Absoluter Unfug! Doch ich kann ihnen nicht böse sein! Ich liebe sie einfach, diese kleinen, vielfarbigen Bällchen mit den fragmenthaft abgerubbelten M's auf der Schale.

Doch die schwierigste Entscheidung ist mit dem Gang zum m&m-Regal noch längst nicht getroffen! Jetzt steht erstmal die Wahl an, welches Beutelchen man mitnimmt. Denn was ich salop als "braune", "gelbe" oder "blaue" m&m's bezeichne, hat schwerwiegende Auswirkungen auf das Knabbervergnügen. Am ungeliebtesten von meiner Seite sind die "crunchigen" blauen m&m's. Erst vor 3 Jahren in die Produktpalette aufgenommen und wenig bereichernd, kommen sie sehr selten in den Einkaufskorb. Es gibt jedoch gewisse Wusel, denen diese Sorte am besten schmecken soll! Schon leckerer sind "die Braunen". Schändlicherweise sagen hier viele: "dann kann ich auch gleich Smarties kaufen" - NEIN! Smarties sind doch wirklich total anders! Sie fühlen sich härter an im Mund, wirken wie eine Schwarzmarktkopie der viel vollmundigeren, runderen m&m's. Außerdem diese stangenartige, unattraktive Packung! Man weiß ja gar nicht, wieviele man noch übrig hat. Die Premiumklasse bilden hier schließlich die Peanut-m&m's in der königsgelben Tüte. Ab hier sind Beschreibungen nur noch leere Worthülsen, menschliche Begriffe können dieser Köstlichkeit nicht gerecht werden. Man wird zwar unglaublich fett von zuvielen davon, aber selbst wenn man nach dem Verzehr als gestrandeter Wal auf Mt. Couch liegt und den (auch von gewissen Wuseln als eklig empfundenen-) Ich-bin-übergessen-Blick aufsetzt, hat man noch dieses Gefühl tiefster innerer Befriedigung! Bis zur nächsten Tüte!

Montag, März 20, 2006

Liars - They were wrong so we Drowned

Liars - They were wrong so we drowned

(2004 / Mute Records / 12" Vinyl)

Da das neue Album der Liars Drums not dead ja bereits in den Startlöchern steht bzw eigentlich schon im Rennen ist und von mir für sehr gut befunden wurde, ist es an der Zeit den Vorgänger They were wrong so we drowned auseinanderzunehmen. Und wieso? Zugegeben, das Album ist nicht gerade das, was sich die Fans nach dem durchaus hör- und sogar tanzbaren They threw us all in a Trench and stuck a Monument on Top erhofft hatten. Und vielleicht wird es in Zukunft nicht gerade das Werk der Liars sein, nach welchem man im Plattenregal als erstes greift. Doch welche LP kann schon von sich behaupten, ein höchst primitives, gesticktes Bild einer Hexenverbrennung (hat noch jemand Vorschläge was das sonst darstellen soll?) auf dem Cover abgebildet zu haben? Welche LP würde sonst lediglich mit Nennung aller Songtitel längenmäßig diese Rezension füllen? Welche LP ist so..ähh...speziell?

Ja die Liars machen es uns nicht einfach. Beim Debüt They trew us all in a Trench and stuck a Monument on Top zeigten sie uns, wie wichtig Rhytmus und Bass in der Musik sind um kurz nach Veröffentlichung den Bassisten und den Drummer aus der Band zu werfen und künftig als Dreiergespann weiterzumachen. Beim aktuellen Album loten sie die Grenzen von Ambient aus und erinnern teilweise sogar an einige von Radioheads Kid A-Großtaten. Schwieriger ist es dann aber mit Album Nr 2, nämlich diesem hier. Die Legende besagt, dass sich die 3 verbliebenen Bandmitglieder zum Schreiben und Einspielen des Albums in eine einsame Waldhütte zurückzogen um eine Platte rund ums Thema Hexen zurechtzuwurschteln. Hat dann ja auch geklappt irgendwie. Die Songs wimmeln von unheimlichen Gestalten und so verrät Sänger Angus bereits im ersten Track, dem Primitiv-Drumming-König Broken Witch, "I want to be a horseman!". Man ist erstmal einigermaßen erschrocken ob der eigenwilligen Instrumentierung bestehend aus tonnenweise (oder ist es nur einer?) Analog-Synthies, einem Tanzbein-brechenden Schlagzeug und diversen verhackstückelnden Elektrosequenzen. Und dass hier jemand gar nicht so gut mit seinem Synthie umgehen kann und auch mal gern sinnlos am Knöpfchen dreht zeigt uns dann die erste Single There's always room on the broom, welches mit seinem BeeGees-Gedenk-Gesang grade nochmal die Kurve zum Beinahe-Hit kriegt. Auseinandergebrochen werden die einzelnen Songs immer wieder von Zwischenstücken über deren Stellenwert man streiten kann (wie eigentlich bei beinahe allen Zwischenstücken auf beinahe allen Alben) - in einem hört man bspw nur wie in ein Buch geschrieben wird (namentlich in "Read the book that wrote itself"...). Atmosphärisch liegt das Album stetig zwischen Sonic Youths Bad Moon Rising und einem Besuch in der Geisterbahn. Doch gibt es 2 Songs auf der Platte die einem die ganze Hexengeschichte plötzlich näher bringen als es jedes Sachbuch vermag. Bei We fenced other gardens with the bones of our own und im finalen Flow my tears the spider said fehlen eigentlich nur noch diese unheimlichen Kindergesänge die einem die Hexenhorrorfilme eigentlich erst so richtig unheimlich machen - wobei Angus die beim erstgenannten eigentlich doch ganz gut hinbekommt. Diese beiden Tracks stehen etwas im Kontrast zu dem eher trashigen Ambiente der anderen Stücke, aber am Ende ist das eigentlich unwesentlich, denn die ganze LP ist eigentlich dermaßen unhörbar, dass man manchmal mit sich ringen muss um die Nadel nicht schon zu Beginn runterzunehmen - sie dann aber doch drauflässt. Und das ist auch irgendwie das Faszinierende an dieser Platte. Die Liars hätten zum damaligen Zeitpunkt eigentlich alles veröffentlichen können. Sie hatten ein wahnsinniges erstes Album und bereits kurz danach das halbe Line-up demontiert. Man wußte einfach, dass es diese Band wirklich darauf ankommen lassen würde. Nüchtern betrachtet ist diese Platte dann auch der reinste Lärm bei der man nach einem Durchlauf dann aber doch wissen will, wie genau die das denn hingekriegt haben. Beim dritten Mal greift man dann vielleicht auch schon nebenbei zum tollen Booklet und saugt die Atmosphäre in sich auf. Und plötzlich nimmt man jeden Track als Wahnsinnssong wahr, während Unbeteiligte neben einem den Kopf schütteln. Ähnliche Reaktionen gab es dann auch auf den Konzerten der zugehörigen Tour zu sehen, auf denen die Band, gekleidet in diversen Tierkostümen, das ganze Album nochmal auf links drehte und die Zuschauer, die sich doch gerade mühevoll reingehört hatten, nochmal ratlos dastehen ließ.

They were wrong so we drowned ist eine wirklich schön aufgemachte LP. Um einem die ganze Hexenthematik näherzubringen reicht ja auch nicht einfach ein Pappschuber ohne Inhalt. Da muss es schon ein hübsches kleines Booklet mit zahlreichen Illustrationen im Märchenbuchstil sein. Im Innenteil des Klappcovers warten die Songtitel und ein besonders gruseliges Waldfoto...brr! Die LP selber kommt im unschuldigen weiß - wirklich sehr schön.

Rating - 8 / 10
Vinyl-Rating - 8 / 10

- CGV -

Samstag, März 18, 2006

The Good Life - Album of the Year

The Good Life - Album of the Year

(2004 / Saddle Creek / 12" Vinyl)

Wenn ich irgendwann dazu komme, etwas über die unterbewertetsten Alben aller Zeiten zu schreiben (vielleicht sogar eine Serie!) wäre Dieses hier ein guter Anfang. Der Begriff "aller Zeiten" ist bei einer 2004 erschienen LP vielleicht etwas gewagt, doch bei aller Liebe, Detailarbeit und Aufregung die hier drin steckt im Vergleich zur sträflichen Übergehung ist er dennoch angemessen.

The Good Life ist in erster Linie Tim Kasher. Wer sich ein bischen im Saddle Creek-Universum auskennt, weiß, dass er eine Art Übervater für die ganzen anderen großartigen Bands (Bright Eyes, The Faint, Azure Ray um mal die bekanntesten zu nennen) darstellt. Legenden zufolge habe er Connor Oberst das Gitarre-spielen beigebracht, das Label mitbegründet, usw. Kasher singt sowohl bei The Good Life als auch bei Cursive, dem etwas drahtigeren, schrägeren, gitarrenlastigeren Bandzweig. Nach deren 2003er Veröffentlichung The Ugly Organ und natürlich dem Bright Eyes Meisterwerk Lifted, stand die Indie-Welt Kopf und im Jahre 2004 hörte man keinen Namen öfter im Presse Jargon als Saddle Creek. Umso sträflicher und vorallem unverständlicher, dass diese LP offenbar völlig außen vor gelassen wurde. Man hatte die Welt mit der flotten Lovers need Laywers EP auf den Super-Gau vorbereitet und nun? Nicht dass auch andere die Qualität der Band nicht erkannt hätten - der Rolling Stone gab 4 von 5 Sternen, die beiden Konzerte im Starclub waren ordentlich besucht - Vielleicht war einfach der Schatten der Bright Eyes zu düster?

Umso mehr ein Grund das Album hier mal vollends zu würdigen! Es ist keine Platte die einen sofort anspringt - eigentlich sogar ganz im Gegenteil. Die Instrumentierung ist zwar liebevoll, aber doch sehr reduziert, die Produktion aufs Nötigste beschränkt. Die Textlawinen drohen einen erstmal zu erdrücken - selbst wenn hier eigentlich gar nix verschleiert wird! Bereits das Coverartwork und die Songtitel deuten an - hier begleiten wir ein Pärchen durch ein Jahr Trennung - von April bis März - ein richtiges Konzeptalbum also (daher wohl auch der holprige Albumtitel)! Im ersten Track Album of the Year erzählt uns Kasher wie er sein Mädchen damals kotzend auf der Damentoilette kennengelernt hat- sie zeigt ein Herz und nimmt ihn mit heim ("She said she'd never seen someone so lost, i said i'd never felt so found"). Und am Ende des Songs gehen sie bereits getrennte Wege - und damit ist auch sofort schonmal der Grundtenor des Albums vorgegeben. Musikalisch sieht das ungefähr so aus: die ersten 3 Minuten bestreitet Kasher allein mit Gitarre bis der Song plötzlich von einer wahnwitzigen Bongo-Figur weggetragen wird (ungefähr da, wo es anfängt traurig zu werden...). Wer The Good Life einmal live gesehen hat wird wissen, dass der Mann ein unglaubliches Erzähltalent hat und wie man es mit den Songtexten zu halten hat. Im Folgenden ist die Platte natürlich eine Berg-und Talfahrt (emotional, nicht qualitativ!) wie es eben so ist wenn man sich trennt. Das mit der Trennung im Einvernehmen klappt doch nicht so richtig und der Protagonist will sein Mädchen zurück ("October Leaves"), das Mädchen hat schonwieder jemand anderen ("A New Friend" - übrigens mit dermaßen herzzereißender Lead-Gitarre von Ryan Fox!). Beim aus Perspektive der Frau gesungenen Inmates gibt es gefühlte 20 Seiten Lyrics die nochmal alle Dämme brechen und entgültig zeigen, dass man das Textblatt auch als Kurzroman veröffentlichen könnte. Soviele Details und zitierwürdige Zeilen gab es selten und doch wirkt es, als würde dir Kasher persönlich alles, am Boden zerstört, am Tresen erzählen. Gerade dieser Song zeigt trotz seiner instrumentalen Kargheit, wie komplex das Album angelegt ist - man muss es sich quasi erarbeiten und hat am Ende fast das Gefühl als hätte man wirklich was geschafft (jetzt nicht im negativen Sinne ;-) ). Zusammenfassend bleibt eigentlich nur zu sagen, dass Album of the Year zwar nicht ganz so von den Socken haut wie z.B. die letzten Bright Eyes-Werke, sich aber dennoch ganz und gar nicht verstecken braucht. Sperriger aber später erfüllender geht nicht. Und ich muss hier einfach nochmal darauf hinweisen, dass man The Good Life unbedingt live sehen sollte (vielleicht muss um Feuer zu fangen) wenn man die Möglichkeit hat!

Während die CD-Erstauflage mit passendem Kalender und Bonus-Disc (das komplette Album nochmal als Solo-Akustik-Aufnahme) kommt, gucken Vinyl-Fans in die Röhre. Der Minimalismus der Musik führt sich wohl auch im Artwork fort. Album of the Year gibts im normalen Pappschuber ohne bedrucktes Inner Sleeve - dafür aber mit dem dringend nötigen Textblatt. Meine Ausgabe ist nach konzertbedingtem Transport leider etwas lädiert (aber dafür signiert ;-) ), doch was ich von dem eigenwilligen Sternzeichen-Cover halten soll weiß ich sowieso auch nach 2 Jahren noch nicht. Immerhin sind auf dem Backcover nochmal alle der schön gestalteten Kalenderbilder abgebildet und reissen das ganze nochmal raus. Die Platte kommt als 180g Vinyl und klingt dementsprechend gut.

Rating - 8.5 / 10
Vinyl-Rating - 7 / 10

- CGV -

Mittwoch, März 08, 2006

Sussudio-oh-oh!

Beim heutigen Eintrag soll es mal um zwei Medien gehen, die ich bisher, egal in welcher Form, noch nicht rezensiert habe - ein Buch und einen Film. Konkret um American Psycho - einmal als Bret Easton Ellis' Roman und einmal als Verfilmung von Mary Harron aus dem Jahr 2000. Das Lesen des Buches ist schon eine Weile her, etwa 3 Jahre - den Film haben wir uns gestern Abend mal wieder angeschaut. Da ich es mir zur Gewohnheit gemacht habe, nach dem Anschauen generell am nächsten Tag nochmal zu Amazon zu surfen und mir ein paar andere Meinungen dazu durchzulesen, fiel mir auf, wie stark der Stoff auch heute noch missverstanden wird. Ich würde sowohl das Buch als auch den Film sogar unterbewertet nennen.

Aber fangen wir mal von vorn an. American Psycho wurde als dritter Roman vom amerikanischen Autor Bret Easton Ellis 1991 veröffentlicht und gilt seither als umstritten. Thematisch dreht sich der Text um eine Gruppe von Yuppie-Anwälten einer New Yorker Kanzlei Mitte der 80er Jahre. Unterfordert von seinem biederen Dasein begibt sich der Hauptprotagonist Patrick Bateman auf einige "Raubzüge" und begeht zahlreiche Morde unter dem Deckmantel der "Alltagsflucht". Am Ende ist jedoch unklar ob sich Bateman die Morde nur eingebildet hat, ob sie wegen der krassen Oberflächlichkeit seiner Umwelt ignoriert werden oder ob er tatsächlich schizophren ist. Das ist jetzt natürlich sehr sachlich umrissen. Denn wenn ein Roman jemals ins Detail gegangen ist, dann ist es American Psycho. Hunderte Seiten werden gefüllt mit Aufzählungen von Markenartikeln, welche sich im Umfeld Batemans befinden. Seine morgige Gesichtspflegecreme wird in ihre Bestandteile zerlegt und die Vorteile von Louis Vuitton-Anzügen kann man nach der Lektüre garantiert herunterbeten. Eine Reservierung im teuersten Restaurant der Stadt ist alles - Namen sind nichts (Bateman wird von seinen "Freunden" ständig mit den verschiedensten Kollegen verwechselt). Die regelmäßig auftauchenden Sex- und Gewaltexzesse sind dann aber auch mindestens so detailliert und doch so unglaublich nüchtern beschrieben wie der Rest des Buches. Die Beiläufigkeit in der er die brutalsten Morde begeht ist beispiellos. Batemans Blutdruck rutscht beim neidischen Anblick einer fremden Visitenkarte höher als beim Enthaupten von Prostituierten.

Einige Kritiker lobten den scharfen sozialkritischen Anstrich des Buches, andere wiederrum störten sich an den unglaublich detaillierten Gewaltszenen. Nun was soll man sagen? Beide haben gewissermaßen recht. Die Satire ist genial gemacht. Nie habe ich eine so fesselnde Darstellung der oft proklamierten 80er-Oberflächlichkeit gelesen. Ob die Gewaltszenen (neben den ebenfalls enorm detaillierten Sexszenen) Effekthascherei sind oder nicht nur zum puren Selbstzweck geschrieben wurden, darf jeder für sich entscheiden. Fest steht, dass sie in ihrer Eindringlichkeit und, ja, Perversität, alles bisher dagewesene hinter sich lassen. Alles was du bisher über die Abartigkeit dieser Szenen gelesen hast war garantiert noch weit untertrieben. Hier werden Grenzen wie Kindesmord, Nekrophilie und Kannibalismus überschritten und man spürt sogar fast eine zunehmende Verrohung - ist man ob der Grausamkeit des ersten Mordes noch spürbar schockiert, überliest man spätere Taten in einem Zug wie die Beschreibung von irgendwelchen Chanel-Artikelchen. Sicher, das ist vom Autor so gewollt und nach dem Lesen des Romans kann man ja erstmal Urlaub machen, aber die Frage einiger Leser nach dem Geisteszustand Bret Easton Ellis' hat durchaus seine Berechtigung.

Als es dann Ende der 90er hieß, der berühmte Skandalroman werde verfilmt, gab es natürlich einen Aufschrei. Wie soll man soetwas denn auf die Leinwand bringen? Gerüchte über grenzüberschreitende Gewaltdarstellungen überschlugen sich (erwähnte ich schon, dass die Gewaltszenen im Buch sehr detailliert sind? ;-) ). Lange Zeit war sogar Leonardo DiCaprio für die Hauptrolle im Gespräch, welcher sich damals vom Image des Titanic-Sunnyboys erholen wollte. Als die Verfilmung dann schließlich mit Christian Bale als Patrick Bateman in die Kinos kam, zeigten sich viele enttäuscht. Die Story sei zu sehr heruntergekürzt wurden, viele wichtige Bestandteile würden fehlen, der Film sei gar zu blutleer. Gut: Der Film geht nicht so sadistisch zur Sache wie der Roman - blutleer würde ich ihn dann aber doch nicht nennen. Vielmehr werden die Morde kurz und pointiert dargestellt und verfehlen ihre Wirkung nicht. In einer nahezu perfekten Darstellung von Bateman mimt Bale die personifizierte Oberflächlichkeit. Der Umgang mit seinen Kanzlei-Kollegen, seinen Frauen und seinem Körper ist dermaßen überspitzt und doch irgendwie glaubwürdig, dass man ihm fast alles abnimmt - nur leider den wahnsinnigen Killer nicht so ganz. Nein, Batemans zweites Gesicht spielt er wirklich nicht ganz so überzeugend - der Schmierlappen steht Bale besser. Und so wird der Wahnsinn von Batemans Figur weniger in den Mordszenen deutlich, als in kleineren Alltagseinschüben. Beim Work-Out läuft im Hintergrund das Texas Chainsaw Massacre und in einer der besten Szenen des Filmes, rastet er beim Anblick von Konkurrent Paul Allans Visitenkarte ("Schauen Sie sich dieses zarte, gebrochene Weiß an...Oh Gott, sie hat sogar ein Wasserzeichen!") aus. Diese comichafte Überzogenheit gipfelt im Finale, als Bateman während des Amoklaufs mit einigen Pistolenschüssen zwei Polizeiautos zum explodieren bringt, was ihn selbst nur ungläubig auf seine Waffe starren lässt. Und die oben beschrieben Dualität zwischen drei verschiedenen Rückschlüssen bei Filmende, konnte einfach mal nicht besser verfilmt werden. Fassen wir also zusammen: als Slasher-Streifen fällt der Film durch, als Sozialsatire zieht er (meiner Meinung nach - andere sagen, sie könnte noch bissiger sein) jedoch alle Register und fasst vorallem die Quintessenz des Buches perfekt zusammen ohne sich in selbstherrlichen Gewaltszenen zu ergehen. Und dass im Film auch noch Phil Collins, der Meister des schlechtes Geschmacks der 80er, zu besonderen Ehren kommt, ist nochmal eine besonders erwähnenswerte Randnotiz...Dass jedoch der Roman synchron zum Filmstart wieder vom Index genommen (man könnte auch sagen: freigekauft) und werbewirksam neu veröffentlicht wurde, zeigt, wie weit her es auch bei uns mit einigen Dingen ist.

Samstag, März 04, 2006

Title of Record

Heute bleibt es bei einem ganz kleinen Post - eine Liste (ohne Rangordnung) der unangefochten besten, irrsten, lustigsten, schönsten oder merkwürdigsten Songtitel aller Zeiten! Dabei versuche ich mich von einigen Sachen fernzuhalten die sich dafür einfach zu sehr anbieten (z.B. eigentlich alle Songs von Tocotronic...naja aber einer muss einfach sein!) und stattdessen ein paar unentdeckte Schätzchen an die Wasseroberfläche zu bringen (neben einigen Klassikern naürlich). Vorschläge werde ich natürlich gern der Liste hinzufügen! :-D

01. Morrissey - You're the one for me, Fatty

02. British Sea Power - It ended on an oily stage

03. Broken Social Scene - Handjobs for the holidays

04. McLusky - Your children are waiting for you to die

05. McLusky - The Difference between you and me is that i'm not on fire

06. McLusky - Random celebrity insult generator

07. Hot Hot Heat - You owe me an IOU

08. Blood Brothers - My first kiss at the public execution

09. Blood Brothers - Trash flavoured trash

10. Bob Dylan - It's alright Ma (i'm only bleeding)

11. The Smiths - Shoplifters of the World unite!

12. Tocotronic - Alles was ich will, ist nichts mit Euch zu tun haben

13. Bob Dylan - Tombstone Blues

14. Björk - Hyperballad

15. Ween - Mister, would you please help my pony?

16. The Fall - No XMas for John Quays

17. Liars - We fenced other gardens with the bones of our own

18. Liars - Mr. You're on Fire, Mr.!

19. Eels - I'm going to stop pretending that i didn't break your heart

20. Eels - Theme for a pretty girl that makes you believe god exists

21.
Baccara - Yes Sir, I can boogie!

Donnerstag, März 02, 2006

Sleater-Kinney - The Woods

Sleater-Kinney - The Woods

(2005 / Sub Pop / 2 x 12" Vinyl)

Das Jahresresümee des Rolling Stone für 2005 war ziemlicher Unsinn. Neben ein paar fragwürdigen Platzierungen in den Jahrescharts, lassen einen Listen wie die "schwulsten Momente des Jahres" schonmal die Nase rümpfen. In einer Hinsicht ist dem Ganzen aber nichtsmehr hinzuzufügen: Der Aufnahme von The Woods in die 25 besten Platten des Jahres (Platz 19!) und der Bemerkung, das Album klänge wie ein "übersteuertes Led Zeppelin-Bootleg". Höchstens noch die Feststellung eines Users auf Sonicyouth.com: "Thats how a guitar should sound like!". Mein Einwurf dazu wäre, dass The Woods eines der Alben ist, für die man seine hellhörige Mietwohnung aufgibt und sich in einer verlassenen Waldhütte einnistet um das Album endlich in gebührender Lautstärke hören zu können.

Die White Stripes haben es ja vorgemacht: die Integration von Bluesstandards in moderne Rockmusik. Ganz diesen Kurs fahren Sleater-Kinney dabei zwar nicht, doch eine gehörige Portion Sixties-Appeal lässt sich nicht verstecken. Wo die Stripes sehr reduziert und minimalistisch zu Werke gehen und das berühmte Rumpelschlagzeug eigentlich reicht um die Blues-Licks voranzutreiben, backen Sleater Kinney lieber nochmal 10cm Noise-Schnittkäse über die Sache und verstecken sich hinter verzerrten Vocal-Spuren und voll aufgedrehten Höhen. Naja gut, was heißt verstecken? Eine Sängerin die sich bereits im ersten Song, dem alles vernichtenden The Fox, mit einem mehr als beeindruckenden Vibrato in der Stimme in die Gitarrenspuren haut, versteckt sich vermutlich nicht wirklich. Überall scheppert es, eine zweite Stimme wimmert im Hintergrund, der Song bremst langsam ab. Was war das? Anlage kaputt oder was? Wieso rauscht das so?! Man möchte den Produzenten umarmen für diese Glanzleistung! Nächster Song: Wilderness. Die von mir geliebte 2-Kanal-Gitarren-Abmischung (eine Gitarre in der linken-, eine in der rechten Box - auch nachzuhören z.B. auf Sonic Youth's Dirty) macht hier erstmal deutlich wie wunderbar sich die Band die Bälle zuspielt - ok Sleater-Kinney spielen auch schon eine ganze Weile zusammen, haben unzählige (ok: es sind 7!) Alben miteinander aufgenommen - trotzdem! Ein rückwärts abgespieltes Gitarrensolo bei Whats Mine is Yours - wann gab es sowas das letzte mal seit Hendrix? Sicher, die Band bedient sich alter Tricks, hat aber einen derartigen Charme und eine Kraft, dass man ihnen selbst die plumpste Kopie nicht übelnehmen würde. Kann man auch gar nicht, denn die Songs sind dermaßen clever arrangiert, dass mir erst gar keine Kritik einfällt. Der Wechsel zwischen weiblicher Betroffenheits-Lyrik und dem unglaublichen Melodiebogen den Sängerin Carrie Brownstein daraufhin herrausschreit in Jumpers ist einer der vielen Beweise dafür. Diese ganzen Details im Sound die man erst nach etlichen Durchläufen bemerkt! Und im besinnlichen Modern Girl schließlich noch die bitterste Textzeile des letzten Jahres "my whole life looked like a picture of a sunny day!". Außerdem gibt es tonnenweise einprägsame Melodien und noch-mal-bitte!-Momente an jeder Ecke. Schade ist nur, dass Sleater-Kinney ihr größtes Versprechen leider nicht ganz einlösen: Let's call it love. Beim Blick auf die ehrfurchterregende Länge von 11min und den ersten, Großes versprechenden, Gitarrenklängen läuft man schon fast über vor Freude. Leider kann das Stück die Erwartungen aber nicht ganz erfüllen. Als 4min-Song - Grandios! Aber auf 11 Minuten gestreckt lässt es die Aufmerksamkeit das ein oder andere mal abschweifen - dafür passiert einfach nicht genug. Bloß gut, dass sie sich das geniale Night Light (selten klang ein Song so dermaßen nach seinem Titel!) als Schlusslicht aufgespart haben und nochmal alles auf den Punkt bringen, was das Album ausmacht: Leidenschaft, enorme Spielfreude und einen Sound nah an der Perfektion!

Bei der Vinyl-Aufmachung von The Woods hat man sich nicht lumpen lassen. Dickes Klappcover (Innen gibts nochmal die Bandmitglieder zu sehen) und ein bebildertes Lyric-Sheet sind bei mir ja fast schon Pflicht um über 7 Punkte zu kommen. Das wahre Highlight ist hingegen das Vinyl selber: eine dunkelrote und eine dunkelgrüne Platte mit jeweils ausgezeichneter Pressqualität gibts hier zu sehen / hören. Auf Seite 4 gibt es statt Musik eine hübsche Gravur, oder vielmehr einen Druck zu sehen - soll einen Baum-Querschnitt passend zum Albumtitel darstellen. Sehr liebevoll und auch noch sowas von günstig das Ganze (12,50€ derzeit bei flight13.de)!

Rating - 9 / 10
Vinyl-Rating - 8,5 / 10

- CGV -