Clear Green Vinyl

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The question isn't "What are we going to do?", the question is "What aren't we going to do. (Ferris Bueller)

Samstag, März 18, 2006

The Good Life - Album of the Year

The Good Life - Album of the Year

(2004 / Saddle Creek / 12" Vinyl)

Wenn ich irgendwann dazu komme, etwas über die unterbewertetsten Alben aller Zeiten zu schreiben (vielleicht sogar eine Serie!) wäre Dieses hier ein guter Anfang. Der Begriff "aller Zeiten" ist bei einer 2004 erschienen LP vielleicht etwas gewagt, doch bei aller Liebe, Detailarbeit und Aufregung die hier drin steckt im Vergleich zur sträflichen Übergehung ist er dennoch angemessen.

The Good Life ist in erster Linie Tim Kasher. Wer sich ein bischen im Saddle Creek-Universum auskennt, weiß, dass er eine Art Übervater für die ganzen anderen großartigen Bands (Bright Eyes, The Faint, Azure Ray um mal die bekanntesten zu nennen) darstellt. Legenden zufolge habe er Connor Oberst das Gitarre-spielen beigebracht, das Label mitbegründet, usw. Kasher singt sowohl bei The Good Life als auch bei Cursive, dem etwas drahtigeren, schrägeren, gitarrenlastigeren Bandzweig. Nach deren 2003er Veröffentlichung The Ugly Organ und natürlich dem Bright Eyes Meisterwerk Lifted, stand die Indie-Welt Kopf und im Jahre 2004 hörte man keinen Namen öfter im Presse Jargon als Saddle Creek. Umso sträflicher und vorallem unverständlicher, dass diese LP offenbar völlig außen vor gelassen wurde. Man hatte die Welt mit der flotten Lovers need Laywers EP auf den Super-Gau vorbereitet und nun? Nicht dass auch andere die Qualität der Band nicht erkannt hätten - der Rolling Stone gab 4 von 5 Sternen, die beiden Konzerte im Starclub waren ordentlich besucht - Vielleicht war einfach der Schatten der Bright Eyes zu düster?

Umso mehr ein Grund das Album hier mal vollends zu würdigen! Es ist keine Platte die einen sofort anspringt - eigentlich sogar ganz im Gegenteil. Die Instrumentierung ist zwar liebevoll, aber doch sehr reduziert, die Produktion aufs Nötigste beschränkt. Die Textlawinen drohen einen erstmal zu erdrücken - selbst wenn hier eigentlich gar nix verschleiert wird! Bereits das Coverartwork und die Songtitel deuten an - hier begleiten wir ein Pärchen durch ein Jahr Trennung - von April bis März - ein richtiges Konzeptalbum also (daher wohl auch der holprige Albumtitel)! Im ersten Track Album of the Year erzählt uns Kasher wie er sein Mädchen damals kotzend auf der Damentoilette kennengelernt hat- sie zeigt ein Herz und nimmt ihn mit heim ("She said she'd never seen someone so lost, i said i'd never felt so found"). Und am Ende des Songs gehen sie bereits getrennte Wege - und damit ist auch sofort schonmal der Grundtenor des Albums vorgegeben. Musikalisch sieht das ungefähr so aus: die ersten 3 Minuten bestreitet Kasher allein mit Gitarre bis der Song plötzlich von einer wahnwitzigen Bongo-Figur weggetragen wird (ungefähr da, wo es anfängt traurig zu werden...). Wer The Good Life einmal live gesehen hat wird wissen, dass der Mann ein unglaubliches Erzähltalent hat und wie man es mit den Songtexten zu halten hat. Im Folgenden ist die Platte natürlich eine Berg-und Talfahrt (emotional, nicht qualitativ!) wie es eben so ist wenn man sich trennt. Das mit der Trennung im Einvernehmen klappt doch nicht so richtig und der Protagonist will sein Mädchen zurück ("October Leaves"), das Mädchen hat schonwieder jemand anderen ("A New Friend" - übrigens mit dermaßen herzzereißender Lead-Gitarre von Ryan Fox!). Beim aus Perspektive der Frau gesungenen Inmates gibt es gefühlte 20 Seiten Lyrics die nochmal alle Dämme brechen und entgültig zeigen, dass man das Textblatt auch als Kurzroman veröffentlichen könnte. Soviele Details und zitierwürdige Zeilen gab es selten und doch wirkt es, als würde dir Kasher persönlich alles, am Boden zerstört, am Tresen erzählen. Gerade dieser Song zeigt trotz seiner instrumentalen Kargheit, wie komplex das Album angelegt ist - man muss es sich quasi erarbeiten und hat am Ende fast das Gefühl als hätte man wirklich was geschafft (jetzt nicht im negativen Sinne ;-) ). Zusammenfassend bleibt eigentlich nur zu sagen, dass Album of the Year zwar nicht ganz so von den Socken haut wie z.B. die letzten Bright Eyes-Werke, sich aber dennoch ganz und gar nicht verstecken braucht. Sperriger aber später erfüllender geht nicht. Und ich muss hier einfach nochmal darauf hinweisen, dass man The Good Life unbedingt live sehen sollte (vielleicht muss um Feuer zu fangen) wenn man die Möglichkeit hat!

Während die CD-Erstauflage mit passendem Kalender und Bonus-Disc (das komplette Album nochmal als Solo-Akustik-Aufnahme) kommt, gucken Vinyl-Fans in die Röhre. Der Minimalismus der Musik führt sich wohl auch im Artwork fort. Album of the Year gibts im normalen Pappschuber ohne bedrucktes Inner Sleeve - dafür aber mit dem dringend nötigen Textblatt. Meine Ausgabe ist nach konzertbedingtem Transport leider etwas lädiert (aber dafür signiert ;-) ), doch was ich von dem eigenwilligen Sternzeichen-Cover halten soll weiß ich sowieso auch nach 2 Jahren noch nicht. Immerhin sind auf dem Backcover nochmal alle der schön gestalteten Kalenderbilder abgebildet und reissen das ganze nochmal raus. Die Platte kommt als 180g Vinyl und klingt dementsprechend gut.

Rating - 8.5 / 10
Vinyl-Rating - 7 / 10

- CGV -