Clear Green Vinyl

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The question isn't "What are we going to do?", the question is "What aren't we going to do. (Ferris Bueller)

Mittwoch, März 08, 2006

Sussudio-oh-oh!

Beim heutigen Eintrag soll es mal um zwei Medien gehen, die ich bisher, egal in welcher Form, noch nicht rezensiert habe - ein Buch und einen Film. Konkret um American Psycho - einmal als Bret Easton Ellis' Roman und einmal als Verfilmung von Mary Harron aus dem Jahr 2000. Das Lesen des Buches ist schon eine Weile her, etwa 3 Jahre - den Film haben wir uns gestern Abend mal wieder angeschaut. Da ich es mir zur Gewohnheit gemacht habe, nach dem Anschauen generell am nächsten Tag nochmal zu Amazon zu surfen und mir ein paar andere Meinungen dazu durchzulesen, fiel mir auf, wie stark der Stoff auch heute noch missverstanden wird. Ich würde sowohl das Buch als auch den Film sogar unterbewertet nennen.

Aber fangen wir mal von vorn an. American Psycho wurde als dritter Roman vom amerikanischen Autor Bret Easton Ellis 1991 veröffentlicht und gilt seither als umstritten. Thematisch dreht sich der Text um eine Gruppe von Yuppie-Anwälten einer New Yorker Kanzlei Mitte der 80er Jahre. Unterfordert von seinem biederen Dasein begibt sich der Hauptprotagonist Patrick Bateman auf einige "Raubzüge" und begeht zahlreiche Morde unter dem Deckmantel der "Alltagsflucht". Am Ende ist jedoch unklar ob sich Bateman die Morde nur eingebildet hat, ob sie wegen der krassen Oberflächlichkeit seiner Umwelt ignoriert werden oder ob er tatsächlich schizophren ist. Das ist jetzt natürlich sehr sachlich umrissen. Denn wenn ein Roman jemals ins Detail gegangen ist, dann ist es American Psycho. Hunderte Seiten werden gefüllt mit Aufzählungen von Markenartikeln, welche sich im Umfeld Batemans befinden. Seine morgige Gesichtspflegecreme wird in ihre Bestandteile zerlegt und die Vorteile von Louis Vuitton-Anzügen kann man nach der Lektüre garantiert herunterbeten. Eine Reservierung im teuersten Restaurant der Stadt ist alles - Namen sind nichts (Bateman wird von seinen "Freunden" ständig mit den verschiedensten Kollegen verwechselt). Die regelmäßig auftauchenden Sex- und Gewaltexzesse sind dann aber auch mindestens so detailliert und doch so unglaublich nüchtern beschrieben wie der Rest des Buches. Die Beiläufigkeit in der er die brutalsten Morde begeht ist beispiellos. Batemans Blutdruck rutscht beim neidischen Anblick einer fremden Visitenkarte höher als beim Enthaupten von Prostituierten.

Einige Kritiker lobten den scharfen sozialkritischen Anstrich des Buches, andere wiederrum störten sich an den unglaublich detaillierten Gewaltszenen. Nun was soll man sagen? Beide haben gewissermaßen recht. Die Satire ist genial gemacht. Nie habe ich eine so fesselnde Darstellung der oft proklamierten 80er-Oberflächlichkeit gelesen. Ob die Gewaltszenen (neben den ebenfalls enorm detaillierten Sexszenen) Effekthascherei sind oder nicht nur zum puren Selbstzweck geschrieben wurden, darf jeder für sich entscheiden. Fest steht, dass sie in ihrer Eindringlichkeit und, ja, Perversität, alles bisher dagewesene hinter sich lassen. Alles was du bisher über die Abartigkeit dieser Szenen gelesen hast war garantiert noch weit untertrieben. Hier werden Grenzen wie Kindesmord, Nekrophilie und Kannibalismus überschritten und man spürt sogar fast eine zunehmende Verrohung - ist man ob der Grausamkeit des ersten Mordes noch spürbar schockiert, überliest man spätere Taten in einem Zug wie die Beschreibung von irgendwelchen Chanel-Artikelchen. Sicher, das ist vom Autor so gewollt und nach dem Lesen des Romans kann man ja erstmal Urlaub machen, aber die Frage einiger Leser nach dem Geisteszustand Bret Easton Ellis' hat durchaus seine Berechtigung.

Als es dann Ende der 90er hieß, der berühmte Skandalroman werde verfilmt, gab es natürlich einen Aufschrei. Wie soll man soetwas denn auf die Leinwand bringen? Gerüchte über grenzüberschreitende Gewaltdarstellungen überschlugen sich (erwähnte ich schon, dass die Gewaltszenen im Buch sehr detailliert sind? ;-) ). Lange Zeit war sogar Leonardo DiCaprio für die Hauptrolle im Gespräch, welcher sich damals vom Image des Titanic-Sunnyboys erholen wollte. Als die Verfilmung dann schließlich mit Christian Bale als Patrick Bateman in die Kinos kam, zeigten sich viele enttäuscht. Die Story sei zu sehr heruntergekürzt wurden, viele wichtige Bestandteile würden fehlen, der Film sei gar zu blutleer. Gut: Der Film geht nicht so sadistisch zur Sache wie der Roman - blutleer würde ich ihn dann aber doch nicht nennen. Vielmehr werden die Morde kurz und pointiert dargestellt und verfehlen ihre Wirkung nicht. In einer nahezu perfekten Darstellung von Bateman mimt Bale die personifizierte Oberflächlichkeit. Der Umgang mit seinen Kanzlei-Kollegen, seinen Frauen und seinem Körper ist dermaßen überspitzt und doch irgendwie glaubwürdig, dass man ihm fast alles abnimmt - nur leider den wahnsinnigen Killer nicht so ganz. Nein, Batemans zweites Gesicht spielt er wirklich nicht ganz so überzeugend - der Schmierlappen steht Bale besser. Und so wird der Wahnsinn von Batemans Figur weniger in den Mordszenen deutlich, als in kleineren Alltagseinschüben. Beim Work-Out läuft im Hintergrund das Texas Chainsaw Massacre und in einer der besten Szenen des Filmes, rastet er beim Anblick von Konkurrent Paul Allans Visitenkarte ("Schauen Sie sich dieses zarte, gebrochene Weiß an...Oh Gott, sie hat sogar ein Wasserzeichen!") aus. Diese comichafte Überzogenheit gipfelt im Finale, als Bateman während des Amoklaufs mit einigen Pistolenschüssen zwei Polizeiautos zum explodieren bringt, was ihn selbst nur ungläubig auf seine Waffe starren lässt. Und die oben beschrieben Dualität zwischen drei verschiedenen Rückschlüssen bei Filmende, konnte einfach mal nicht besser verfilmt werden. Fassen wir also zusammen: als Slasher-Streifen fällt der Film durch, als Sozialsatire zieht er (meiner Meinung nach - andere sagen, sie könnte noch bissiger sein) jedoch alle Register und fasst vorallem die Quintessenz des Buches perfekt zusammen ohne sich in selbstherrlichen Gewaltszenen zu ergehen. Und dass im Film auch noch Phil Collins, der Meister des schlechtes Geschmacks der 80er, zu besonderen Ehren kommt, ist nochmal eine besonders erwähnenswerte Randnotiz...Dass jedoch der Roman synchron zum Filmstart wieder vom Index genommen (man könnte auch sagen: freigekauft) und werbewirksam neu veröffentlicht wurde, zeigt, wie weit her es auch bei uns mit einigen Dingen ist.