Clear Green Vinyl

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The question isn't "What are we going to do?", the question is "What aren't we going to do. (Ferris Bueller)

Donnerstag, Mai 14, 2009

Various Artists - 2001: A Space Odyssey OST

Various Artists - 2001: A Space Odyssey OST

(1968 / MGM / 12" Vinyl)

Da hat man mal zwei Tage Urlaub, die Ruhe weg und Lust mal wieder eine komplett neue Rezension zu schreiben (wie gesagt, ein oder zwei hab ich noch in einem Notizbuch stehen, bloß nie abgetippt), lässt seinen Blick durchs Plattenregal streifen, zieht Merriweather Post Pavillion in Erwägung, bleibt kurz bei Reckoning hängen und lässt schließlich auch Exile on Main St links liegen. Neenee, da muss schon was ganz anderes her! Dann muss es schon eine Klassik-Soundtrack-Compilation zu einem der verwirrendsten und besten Filme aller Zeiten sein! Ich glaube, die einzige Soundtrack bzw Compilation Rezension die ich geschrieben hab war über den Lost in Translation OST, der natürlich ganz im Zeichen der Indie/Pop-Musik stand - eine wahnsinnig gute und stimmungsvolle Zusammenstellung, ohne Frage, aber der Soundtrack zu 2001: A Space Odyssey ist wichtiger, zeichensetzender, revolutionärer, er ist einfach sowas wie DER Soundtrack. So revolutionär, dass nach Release des Filmes auf Veröffentlichungen einiger der über hundert Jahre alten Klassiker, die auf dieser Compilation zu finden sind, plötzlich ein Aufkleber prangte "as heard in 2001: A Space Odyssey".

Wie gesagt, es handelt sich hier um eine Zusammenstellung klassischer Stücke aus dem deutschsprachigen Raum und avantgardistischen Kompositionen aus dem (damals) sowjetischen Gebiet. Den Anfang macht Also Sprach Zarathustra von Richard Strauss in einer Einspielung der Berliner Philharmoniker und egal ob man den Film nun kennt oder nicht, man hat automatisch die "Knochenszene/Reborn-Szene"vor sich, ob nun aus dem Original oder aus einer der unzähligen Parodien - (die Verbindung zwischen Nietzsches Zarathustra und der Storyline des Filmes...das muss ich wohl nochmal mit einer Philosophiestudentin erörtern...). Kubrick, der den Soundtrack eigentlich nur für ein Testscreening des Films zusammenstellte (der eigentlich angedachte Score befand sich zu diesem Zeitpunkt noch in der Produktion) hat hiermit wohl den wichtigsten Grundstein für die Verwendung von Musik in Filmen ever gelegt. Es ist wahrscheinlich, dass kein anderes Stück die bombastische Anfangssequenz des Films besser hätte einfangen können als Zarathustra, vorallem eben nicht der Score von Alex North. Das sah offenbar auch das Testpublikum so. Und so kam es dazu, dass der inzwischen tatsächlich vollendete aber eben nie verwendete Score schließlich erst 2008 in seiner Originalform zugänglich gemacht wurde, aber nie im Kontext des Filmes zu hören war. Angeblich erfuhr North erst kurz vor der Veröffentlichung, nachdem er eine Vorpremiere des Films gesehen hatte, dass sein Soundtrack abgelehnt wurde...man weiß es nicht. Fakt ist jedoch, dass der Film es nicht nur schaffte, wohlbekannte klassische Stücke in einem cinematischen Kontext neue Konturen zu verleihen, es war ihm durch seine optische Brillianz auch möglich, dem Publikum eine so abstruse und anspruchsvolle Chorkomposition wie György Ligetis Requiem näherzubringen ohne das jemand das Kino verlassen musste. Auch Requiem ist eng gekoppelt mit einigen Schlüsselszenen des Films und wirkt am eindringlichsten an dem Punkt, als wir merken, dass es der Monolith der auch für die beklemmende Anfangssequenz verantwortlich war, auch in der Gegenwart auftaucht. Die Musik sugeriert in diesem Moment die absolute Bedrohung, ausgedrückt durch ein unterschwelliges, wortloses Chorarrangement des rumänischen Exzentrikers. Mit etwas weniger Respekt könnte man die Musik einfach "gruselig" nennen, im klassischen Kontext heißt es dann wohl "intensiv" - wie man es auch dreht, ohne dieses Stück wäre der Film nur halb so wertvoll. Ohne merkliche Pause geht Requiem in Lux Aeterna über, das zwar immer noch die Grenzen der traditionellen Klassik weit hinter sich lässt, aber doch, zumindest etwas, harmonischer (auch wenn hier nicht unbedingt Harmonien in herkömmlichen Sinn vorliegen) wirkt. Auch hier lässt er uns spüren, zu welchen Klängen ein guter Chor, komplett ohne Textvorgaben fähig sein kann. Ein bischen erinnert mich das Stück an einige der Kompositionen die Brian Eno für sein "Mondalbum" Apollo Atmospheres and Soundtracks geschrieben hat - und auch in 2001 wird Ligetis Stück dazu benutzt, einen Flug über die Mondoberfläche eindrucksvoll zu untermalen.

Den laufzeitmäßig größten und wohl auch populärsten Teil des Soundtracks nimmt wohl An der schönen blauen Donau von Johann Strauss ein, auch hier wieder eine Einspielung der Berliner Philharmoniker. Das Stück hat natürlich nichts von der herausfordernden und subtilen Wirkung der Ligeti-Kompositionen, wirkt stattdessen mit seinem herantapsenden Beginn und seinen harmonischen Bögen wie gemacht für die geniale Szene, in der es schließlich auch eingesetzt wurde - das Andocken an den Spaceport. Das dieser Teil des Films ausschließlich mit, damals revolutionären, Special Effects umgesetzt wurde, ist kaum zu glauben wenn man sich die walzermäßige Präzession und Anmut ansieht, mit der hier choreografiert wurde. Wie hätte man diese Szene schlüssig anders unterlegen sollen? Hier wurde ein zweites mal das Ziel erreicht, den Film, untrennbar mit seinem Soundtrack, als Gesamtkunstwerk zu etablieren. Und wenn der Film schließlich der Dramatik der Musik zu folgen scheint und auf den Höhepunkt der Szene zusteuert, wird es schließlich fast unmöglich zu trennen was vorher da war: Musik oder Film?

Filmisch mindestens genauso eindrucksvoll und perfekt unterlegt wurde die Szene, in der wir das erste mal die Hauptprotagonisten beim Training bzw beim Aufwachen in ihrem Raumschiff sehen. Hierfür wählte Kubrick eine ähnlich harmonische Komposition, die Gayne Ballet Suite von Arem Khachaturian, einem armenisch-kommunistischen Hardliner dessen Werke oft von seiner Weltanschauung beeinflusst waren. Hier hingegen hören wir nur ein unheimlich schönes Stück, die zwar möglicherweise nicht unaustauschbar ist, aber den Film kongenial unterstützt. Ein bischen anders ist es bei Ligetis drittem Beitrag, dem verstörenden Athmospheres. Unterlegt wurde hiermit die Szene, in der Hauptakteur Dave quasi wiedergeboren wird (wenn man die Szene so interpretieren möchte). Wenn man den Film und im speziellen diese Szene vor dem inneren Auge ablaufen lässt ist es schwierig, die Musik damit zu asoziieren. Die Erinnerungen an Dimensionen die mit Lichtgeschwindigkeit vorbeirauschen, an neu geformte Sternenbilder und Flüge über diverse Planetenoberflächen scheinen eigentlich nach einer dynamischeren Musik zu verlangen. Wenn man sich 2001 dann aber tatsächlich mal wieder ansieht ist es unglaublich, welche Wirkung Atmospheres auf den Szenenverlauf hat. Hier scheint die Komposition den Film beinahe zu dominieren, obwohl die Wiedergeburt sicherlich eine der optisch eindrucksvollsten Szenen der Filmgeschichte sein dürfte - ein Grund mehr, dass sich an dieser Szene auch nach Jahren immer noch die Geister scheiden. Für mich bleibt es eine der genialsten und perfektest umgesetzten Visionen Kubricks und Ligetis. Trotz voll orchestrierter Umsetzung (immerhin 56 Streichinstrumente sind hier, theoretisch, zu hören) hat das Stück rein gar nichts von einem gemütlichen Abend in der Philharmonie. Atmospheres ist sicherlich eines der herausfordernsten Stücke Ligetis und lässt weder melodischen, noch rythmischen Rahmen erkennen. Atmospheres ist Klang, ausschließlich Klang. Und wenn man nach dessen ruhigem Ausklang mit einer feierlichen Reprise der Donau zurückgeholt wird, ist man einfach nur erstaunt, wie unterschiedlich Musik sein kann und wie genial ein Rahmen sein muss, der zwei solcher Stücke tatsächlich plausibel zusammenhalten kann.

Dieser Soundtrack ist sicherlich eine Millionen mal neu aufgelegt wurden (u.a. in einer späteren CD-Auflage inklusive einer uneditierten Version von Atmospheres und, sicherlich weniger sinnvoll, einer Montage von "Bösewicht" HALs Monologen) und bei der Suche auf ebay ist man mehr oder weniger auf sein eigenes Glück angewiesen um eine einigermaßen erhaltene Ausgabe zu ergattern - zu wenige Menschen wissen um die Brillianz dieser Zusammenstellung und versteigern sie als "Dachbodenfund". Ich habe jedenfalls eine sehr gut erhaltene LP bekommen auf der die Farben des wunderbaren, hochgänzenden Covers (eine Zeichnung der Andock-/Donauszene) auch nach 40 Jahren noch so leuchten wie (vermutlich) am ersten Tag. Der Rückcovertext versucht sich zuerst an einer Zusammenfassung der Filmgeschichte und preist anschließend Kubrick, den "great american director" der uns aufzeigt, was wir an Merkwürdigkeiten und Schönheit finden können, wenn wir im Jahr 2001 den Mond und andere Planeten entdecken werden. Schlussendlich war es 1968 bei Release des Filmes nur noch ein Jahr, bis die Menschheit tatsächlich den Mond betrat, aber dieser Text ist ein Musterbeispiel für die Blumigkeit damaliger Plattentexte. Besonders schön gelungen ist jedoch die Aufstellung, welche Musik in welcher Szene zu hören ist und die Abbildung zwei eher obskurer schwarz/weiß-Szenenfotos (von denen es in einer ebenfalls erschienenen Klappcover-Auflage wohl noch mehr gibt...). Eine der, eigentlich weniger aufwendig gemachten, LPs, die ich aufgrund des wunderbaren Covers aber immer wieder gern aus dem Regal nehme. Und wie bewertet man jetzt so einen Brocken...?

Rating - 10 / 10
Vinyl-Rating - 8,5 / 10

- CGV -