Clear Green Vinyl

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The question isn't "What are we going to do?", the question is "What aren't we going to do. (Ferris Bueller)

Mittwoch, April 26, 2006

I pick Things up, I am a Collector - Part 1

Übers Musik sammeln

Wie die meisten Leute in meinem Alter habe ich damit angefangen CD's zu sammeln. Zu Beginn hat man ein paar Singles von total unfassbaren Acts (in meiner Sammlung waren/sind das u.a. Marusha, Captain Hollywood Project, The Outhere Brothers, Herbie, usw.), dann sogar evtl mal ein Album bei dem man aber eigentlich auch nur die Singles anhören möchte. Das Deprimierende dabei ist, dass die Entwicklung bei manchen bereits in diesem Stadium ein Ende gefunden hat. Wobei ich hier ja über niemanden urteilen will - aber wenn sich heutzutage noch jemand ernsthaft die 10 Jahre alten Trash-Singles von den Quietsch-Techno-Barden Dune reinzieht, ist das schon etwas eigentümlich! Jedenfalls kam bei mir dann irgendwann der Zeitpunkt an dem man sich für "ernstere" Musik interessiert bzw. es evtl auch nur für einen kurzfristigen Trend hält sich dafür zu interessieren. Man traut sich auch noch nicht so richtig sich tatsächlich ne CD zu kaufen. In meinem Fall hatte ich das unglaubliche Glück, einen Papa zu haben, der schon einen einigermaßen ordentlichen Musikgeschmack hatte und mich erstmal mit dem kompletten Backkatalog von Metallica (immerhin!) eingedeckt hat. Für Viele ist das zwar auch nicht gerade ernste Musik, aber ich muss da jetzt mal ein bischen verteidigen! Und ab dem Zeitpunkt ab dem man sich seine erste "richtige" CD gekauft hat (in meinem Fall, glaube ich, das erste Korn-Album), kann man so schnell nichtmehr aufhören.

Klar hab ich damals auch meine CD's geliebt. Der gewisse Stolz wenn man z.B. alle Alben eines Künstlers hat, ist auch schon da wenn man nur die paar Plastikhüllen nebeneinanderstellt. Ich kann z.B. gar nicht mehr zählen wie oft ich alle Eels CD's nebeneinandergelegt hab und nach Verbindungen der Cover gesucht hab (zu den Eels kann man in dieser Beziehung sagen: Es gibt ganz schön viele Hunde auf den Covers!). Man ist irgendwann sehr zufrieden in seinem kleinen CD Kosmos. Und dann kam der Download. Man kann über Musikdownloads sagen was man will, aber sie können einen Musikgeschmack sozialisieren wie sonst nichts! Man entdeckt sachen, von denen man niemals gedacht hätte, dass man sie jemals mögen würde (z.B. Radiohead - unvorstellbar in ignoranten Metal-Zeiten!) Von da an beginnt die eigene Kollektion aus seinem kleinen Schneckenhaus zu kriechen. Und durch die parallele Verfügbarkeit von Amazon.de war es auf einmal möglich, auch alle diese Scheiben bei Gefallen sofort ordern zu können.

Anders als viele andere Vinylsammler habe ich jedoch niemals eine totale Abneigung gegen CD's entwickelt. Klar ist der Kauf einer CD nie so befriedigend wie der einer Schallplatte (allein schon wegen der viel zu guten Vetriebswege ;-) ) und ich werde auch niemals eine CD kaufen wenn ich den Vinyl-Pendant haben könnte, aber ich muss jetzt nicht unbedingt jede CD durch die Vinyl-Ausgabe ersetzen. Außerdem gibt es ja auch noch CD-Ausgaben bei denen man sich wirklich Mühe gegeben hat oder die durch ihre "kostenlosen" DVD-Beilagen dermaßen verlocken, dass es schwer fällt daran vorbeizugehen. Und so findet die ein oder andere CD dann doch noch den Weg in meine Sammlung (zuletzt z.B. das unschlagbar billige Doppelpack Johnny Cash Live at Folsom Prison und Live at San Quentin - in den alten Vinyl-Ausgaben um etliche Tracks und Ansagen gekürzt), wird allerdings zugegebenermaßen nie so herzlich empfangen oder gar eingeordnet wie eine Platte.

Samstag, April 22, 2006

The Cure - Pornography

The Cure - Pornography

(1982 / Fiction Records / 12" Vinyl)

Denkt man heute an The Cure, erinnert man sich häufig erstmal an Mainstream Superhits wie Boys don't cry, A Forest, Close to me oder Friday i'm in Love. Und die Tatsache, dass die Band von vielen nur als 80er Band wahr- und nicht besonders ernstgenommen wird, ist ja auch nicht zu leugnen. Robert Smith ist für die meisten eben nur der etwas Dickliche, mit den komischen Haaren und dem verschmierten Lippenstift. Dass The Cure aber mal eine wirklich ernsthaft verstörende und innovative Band waren (wobei sie es meiner Meinung nach noch immer drauf haben), daran erinnern sich meist nur die Fans. Und um dieser Zeit mal Tribut zu sollen, wird sich meine erste Wunsch-Rezension mit Pornography, dem vierten Album der Band beschäftigen. Und tatsächlich: Wenn ein Cure-Album eine Rezension verdient hat, dann ist es nicht das häufig mehr geschätzte Disintegration oder das zweite Album 17 Seconds, sondern höchstens das Spätwerk Bloodflowers, aber im ganz besonderen eben die 82er LP Pornography. Beachten sollte man beim rezensieren auch, dass man nicht in die berüchtigten Timo-ismen verfällt (Eingeweihte wissen bescheid und greifen sich jetzt an den Kopf!) und sich in ekstatischen und leidenden Beschreibungen verliert. Aber tatsächlich ist das ein Album, dass ich schon lange mal rezensieren wollte, aber an das ich mich nie so richtig rangewagt habe (siehe auch: NYC Ghosts and Flowers, I'm wide awake it's morning, usw.). Ist halt so eine Platte, die man eine million Mal gehört hat, der man schon vor Jahren mental ein Denkmal gebaut hat.

1982 hätte Robert Smith wahrscheinlich nie gedacht, dass er genau 20 Jahre später mal im Berliner Tempodrom stehen würde und mit seiner Band (von deren Original Line-Up inzwischen nur noch er und Bassist Simon Gallup übrig waren) die "Dark Trilogy" bestehend aus Pornography, Disintegration und Bloodflowers spielen würde. Den Begriff und den angeblichen Zusammenhang zwischen den Platten hatte er sich zugegebenermaßen extra für dieses Konzert ausgedacht - der wahre Grund war wohl eher, dass man den Fans zum 25jährigen Bandjubiläum das geben wollte, was sie wollten. Denn war Bloodflowers eher eine (zu Unrecht!) etwas ungeliebte Herzensangelegenheit von Smith, sind Disintegration und Pornography seit jeher die Fan Favorites. Und hätte er sich 1982 vorstellen können, dass nur wenige Jahre später etliche Fans so aussehen wie er und sich zu den Klängen seines gerade entstehenden Albums in (immerhin ganz witzig anzusehenden) Grufti-Tänzen vor der Bühne winden? Um das Ganze mal etwas zu entzaubern: Smith und Gallup waren damals ziemliche Drogenfreaks (und das hört man auch auf dem Album), der damalige Drummer Laurence Tolhurst hatte zwei linke Hände (weswegen Gallup die meisten Patterns für Pornography einspielte bzw gleich die Drum-Machine rausholte und Tolhurst ans Keyboard verscheuchte, wo er nur ab und zu mal eine andere Taste drücken musste - und selbst das nur mit Smiths Hilfe). Unter den zahlreichen Geschichten die in Interviews mit Smith zum Albumjubiläum ans Licht kamen waren u.a. Schilderungen von schlechten Acid-Trips nach denen er sich am nächsten Morgen mit Zahnstochern durchbohrt wiederfand (!) - doch eigentlich erinnere man sich sowieso nicht mehr allzu gut. Auch war die Atmosphäre im Studio wohl nicht die beste - Gallup ging nach der Veröffentlichung erstmal eigene (wahrscheinlich nicht gerade gesunde) Wege und stieg erst 1985 zu Head on the Door-Zeiten wieder ein. Aber selbst wenn das Album themenmäßig einem apokalyptischen Manifest gleicht, hört man der Instrumentierung erfreulicherweise nicht an, wie um es die Band damals bestellt war. Der Vorgänger Faith war zwar schon nah am Trademark-Cure-Sound aber mit Pornography hatten sie es endlich: Smiths Geheul (das ist es nunmal gewissermaßen) war nie dramatischer, die Texte nie wieder so bildhaft und krank. Man wußte, dass man sich nur auf Gallups Basslines verlassen musste und einen Hit hatte. Wobei Hit natürlich relativ ist, denn eigentlich war das Album 1982 ein ziemlicher, fast unhörbarer Hammer. Der 1980er Hit A Forest klingelte noch in den Ohren und sogar Faith hatte noch 2 schnellere Tanzflächentracks zu bieten. Hier jedoch lautet die erste Textzeile "It doesn't matter if we all die", Smith, Gallup und Tolhurst blicken als bizarr verschwommene Gestalten vom Cover und die ganze Atmosphäre machte die Band zu...ja, den Paten der Gothic-Bewegung (und diese ganze Entwicklung in nur 4 Jahren seit der Veröffentlichung der ersten, noch deutlich auf der Punkwelle mitreitenden Single Killing an Arab!). Dass das Album aber trotzdem mehr ist als sein Mythos liegt an seinem tollen und tatsächlich einzigartigen, nie kopierten Sound, der sich im Vergleich zu den Vorgängern deutlich weiterentwickelt hat (so z.B. ein Cello in Cold, Sprach-Samples in Pornography, ...). Alles wirkt so zeitlos, keine Spur des typischen 80er Klangs, welcher viele Alben aus der Zeit so antiquiert klingen lässt.

Der Opener 100 Years ist bis heute ein unangreifbarer Klassiker - auch wenn man immer nocht nicht so genau weiß, worüber Smith da eigentlich gerade singt (mal Lyrics bei Google raussuchen!). Gleiches gilt für Hanging Garden - auch so ein Track dem man sofort anhört, dass er 100%ig intuitiv entstanden ist. Die Monotonie die Songs wie Siamese Twins zugrunde liegt, ist dann auch der Hauptträger des Sounds und lässt einen nicht selten an elektronische Musik denken. Ein besonderes Lob muss man Robert Smith wirklich mal für sein Gitarrenspiel machen. Er leistet hier zwar keine Höchstleistungen was die Spieltechnik angeht, trifft aber mit seinen minimalistischen, kaum verzerrten Licks immer den Nerv des Songs (siehe z.B. A Strange Day mit der charakteristischen Instrumental Bridge). Und Tracks wie Cold und das auch heute noch gern gespielte The Figurehead sind an Intensität eigentlich kaum zu überbieten. Der sample-beladene Titeltrack ist schließlich noch einmal die Bestätigung, dass The Cure gewissermaßen ihrer Zeit vorrauswaren und hier ein unglaubliches Klangbild zeichnen, dass entfernt sogar an Bands wie Boards of Canada erinnert - nur eben "etwas" düsterer. Nach einem solchen Brocken sah Smith seine Band schon am Ende und komponierte eher "zum Spaß" bzw. aus Trotz und vorallem um den Mythos Cure zu zerstören, unfehlbare Pop-Hits wie Let's go to Bed und The Lovecats, welche allesamt zu Singlehits für das ganz große Publikum wurden. Einen größeren Stilbruch hat es in der Musikwelt vielleicht nie gegeben - auch wenn natürlich auch diese Songs einen heftigen Sarkasmus durchschimmern ließen (man schaue sich nur mal die Videos an!). Als es vor ein paar Jahren offenbar "in" war sich als junge Band für The Cure zu begeistern und sogar ein "MTV Icon: The Cure" ausgestrahlt wurde (mit Ehrerbietungen von u.a. The Rapture, Hot Hot Heat, Blink 182, Deftones und Razorlight), wurde auch Pornography als wiederentdeckter Klassiker gefeiert und sogar mit einer, durchaus hörenswerten, CD-Reissue geehrt. Natürlich war dieser neue Ruhm nur von kurzer Dauer, Pornography wird aber vermutlich immer der ewige Klassiker der Band bleiben (auch für mich!).

Zur Vinyl-Rezension liegt mir mal wieder nur eine 2nd-Hand Ausgabe vor - eine mustergültige Vinyl-Neuauflage ist nie erschienen. Und natürlich ist es schön, dieses wahnsinnige Cover mal im Großformat vor sich zu haben. Irgendwelche zusätzlichen Informationen sucht man jedoch vergebens: auch das bedruckte Inner-Sleeve bildet lediglich die (absolut lesenswerten) Lyrics und ein weitere Bild dieser merkwürdigen Fotosession ab, die das ganze Album durchzieht. Also durchaus solide und sehenswert! Und die Platte muss man sowieso haben!

Rating - 10 / 10
Vinyl-Rating - 8 / 10

- CGV -

(Für meinen kleinen Wusel, der hoffentlich bald wieder gesund wird :-*)

Primal Scream...10 Points! Sonic Youth...10 Points! Interpol...

Mal eine kleine Bilanz: Bisher habe ich 13 Musikrezensionen für diesen Blog geschrieben. Alle 13 davon waren Vinylplatten. 12 unterschiedliche Künstler wurden dabei beleuchtet. 11 der Platten waren Longplayer und 2 Singles. 10 davon sind nach 2000 erschienen, eine in den 60ern, eine in den 80ern und eine in den 90ern. Ist ja gar keine so schlimme Bilanz, wäre da nicht folgendes: Allein 4 der 13 Platten haben die höchst mögliche Wertung bekommen, also 10 Punkte (das sind 30,7 %!). Das bedeutet ja normalerweise, dass es sich um eine objektiv perfekte Platte handeln würde. Nun ist das natürlich ziemlich schwierig für mich als Einzelperson eine Platte objektiv zu bewerten. Auffällig ist auch, dass die bisherige Niedrigstwertung bei 8 Punkten lag! Jetzt steht die Frage im Raum, ob ich hier vielleicht zu großzügig bin bei der Punktevergabe! Andererseits sind diese hohen Wertungen ja eigentlich plausibel, da ich ja eh nur meine Lieblingsplatten bewerte. Ist ja auch schwierig eine leidenschaftliche Rezension zu schreiben wenn man das Album nur "ganz ok" findet. Bei einer absolut beschissenen Platte wäre das natürlich noch was andres, aber ich würde es wahrscheinlich nicht übers Herz bringen eine LP aus meiner Sammlung zur Sau zu machen. Also was nun tun?! Schwierig solche Alben wie Murray Street, die einem so ans Herz gewachsen sind, mit weniger als 10 Punkten zu bewerten. Und auch so durchgängig perfekte Platten wie XTRMNTR haben doch zweifellos ebenfalls die Höchstwertung verdient! Aber um es etwas weniger selektiv zu machen, werde ich (sofern ich das mit dem ganzen HTML-Schmu hinkrieg) meine Plattenliste online stellen und einen kleinen Wunschkasten einrichten, damit ihr euch Platten wünschen könnt die ich dann zu gegebener Zeit rezensieren werde. Ein ganz schön kühnes Vorhaben, vorallem wenn man weiß, dass meine Rezensionen eigentlich die wenigsten Leute interessieren, aber ich würde mich trotzdem freuen wenn Ihr euch ein bischen beteiligt! Danke!

Donnerstag, April 20, 2006

Primal Scream - XTRMNTR

Primal Scream - XTRMNTR

(2000 / Creation Records / 2 x 12" Vinyl)

Es gibt Bands, denen nimmt man einfach so gut wie gar nichts übel, die kommen ihr Leben lang mit allem durch und müssen sich für nichts rechtfertigen. The Fall z.B. haben seit 30 Jahren einen ähnlichen Sound, man muss die Unterschiede schon mit der Lupe suchen...aber man will doch auch gar keine andersklingende Fall-Platte, oder?! - weiter so Mark! Im Normalfall läuft es allerdings so: Nehmen wir mal an, eine Band steht kurz davor nach 2 relativ gleichförmigen Alben ihre dritte Platte zu veröffentlichen. Die Presse schreit nach Veränderung, nach Weiterentwicklung - die Fans wollen natürlich noch mehr Hits und müssen bei Laune gehalten werden (derzeit in dieser Situation: u.a. Interpol, Franz Ferdinand). Die Lösung dafür ist dann leider meistens die einfachste; "Naja, machen wir halt n bischen was elektronisches mit rein!". Und so darf man sich in Interviews später verteidigen: "Wir sind mit unserem dritten Album viel elektronischer geworden - ein mutiger Schritt!". Hm. Primal Scream hingegen ist eine Band, die sich nie davor gescheut hat, ihren ganzen Sound umzustülpen und auch nach todsicheren Hitalben das auszuprobieren, was niemand erwartet hätte. Und auch die Sache mit der Elektronik nehmen sie etwas ernster. Sie belassen es nicht dabei, ein paar niedliche Drum Patterns und das gelegentliche Puckern eines Synthies zwischen die Songs zu kleistern sondern schaffen es tatsächlich als eine der wenigen Bands überzeugend, Elektronik und Rock lückenlos zu verschmelzen.

Seit XTRMNTR sind Primal Scream nun auch noch zur Indie-Supergroup geworden: Mastermind Bobby Gillespie hat Anfang der 80er den Jesus and Mary Chain-Klassiker Psychocandy eingetrommelt, Bassist Mani brachte bereits die Stone Roses mit seinen Trademark-Basslicks in die Charts und Produzent/Livegitarrist Kevin Shield war Frontmann der vergötterten Noisetruppe My Bloody Valentine (die Creation Records mit ihrem letzten Album Loveless fast ruiniert hätten - umso ironischer, dass er jetzt quasi wieder da unter Vertrag steht!). Dass diese Band aber trotz diesem Line up und unzähliger Hits (besonders zu Screamedelica-Zeiten) niemand so richtig auf dem Schirm hat, liegt wohl vorallem an ihrer radikalen Einstellung. Gillespies politische Statements und sein ausufernder Drogenkonsum (derzeit ungefähr der Stil: zahnloser Ex-Junkie) taugen eben nicht für ein Image als Everybodys Darling. Die Verbindung all dieser Extreme, die Radikalität und die Kreativität der 3 erwähnten Mitglieder ist es, die XTRMNTR (sprich: Exterminator) schließlich ausmacht. Lange Zeit war es für mich das Album, welches man unter keinen Umständen in einem Rutsch durchhören kann. Das liegt natürlich erstmal an der unheimlichen Reizüberflutung die einen bei den ersten Durchgängen ereilt - überall fiept es, Tonnen von Noise und Sequenzern begraben den Gesang, meist spielen ein Live-Schlagzeug und eine Drummachine parrallel verschiedene Beats. Und wird im Opener Kill all Hippies (Hit!) noch kultiviert Schicht auf Schicht gelegt, fällt das folgene Accelerator mit der Tür ins Haus und ist einfach nur mal laut. Wieviele Gitarrenspuren da wohl übereinandergelegt wurden? Swastika Eyes (auf der deutschen Veröffentlichung: War Pigs...) wird zum siebenminütigen Acid-Rave und...zum Hit! Pills spielt mit Einflüssen von OldSchool-HipHop, mit Keep Your Dreams wirds etwas beschaulicher (später großartig kopiert auf ihrem nächsten Album Evil Heat als Space Blues #2). Die drei Fast-Instrumentals Shoot Speed Kill Light, Blood Money und MBV Arkestra (steht MBV eigentlich für My Bloody Valentine?) rauben einem schließlich gänzlich den Atem und machen klar, was hier eigentlich für unglaubliche Musiker und Komponisten am Werk sind (und natürlich wie gut Kevin Shields der Band tut!). XTRMNTR ist einfach ein unglaublich lautes und tanzbares, begeisterndes Werk. Und man muss es auch mal würdigen: Mani streut hier dermaßen simple aber griffige Basslines ein, die durchaus an seine Arbeiten mit den Stone Roses anknüpfen, und bereichert damit den Sound von Primal Scream unheimlich. Dieses pointierte Spielen ist einfach mal eine Klasse für sich - ganz toll! Einziger Wehrmutstropfen: Der Remix von Swastika Eyes der Chemical Brothers, der hätte einfach mal nicht sein müssen. Sie machen sich den Song zwar durchaus zu eigen, aber besonders erhellend ist das im Albumkontext nicht. Auch dass es mit I'm five years ahead of my time ein weiterer Track nicht auf die UK-Version von XTRMNTR geschafft hat ist ein bischen schade. Das alles hindert mich aber nicht daran (schon wieder!) die Höchstwertung zu vergeben.

Das Album kommt im breiten Pappschuber, auf doppeltem schwarzen Vinyl und mit bedruckten Innersleeves. Da ich das Artwork zwar immer faszinierend aber nie besonders schön fand wirds leider nichts mit der Höchstwertung. Schön allerdings das Dylan-Zitat "They keep it all hid" (aus Subterrenean Homesick Blues), das sich zwischen einigen morseartigen Zeichen auf einem Sleeve versteckt. Naja man hat sich schon Mühe gegeben. Die Platte scheint überdies ziemlich rar zu sein - hab sie damals eher zufällig als Sammelanfänger auf einer Plattenbörse gefunden und sie als eines der ersten Schätzchen ins Regal gestellt. Naja ich würde sagen, hier verdient sich XTRMNTR schließlich...

Rating - 10 / 10
Vinyl-Rating - 7,5 / 10

- CGV -

Donnerstag, April 13, 2006

Sonic Youth - Murray Street

Sonic Youth - Murray Street

(2002 / Geffen Records / 12" Vinyl)

Wenn es eine Band gibt die ich bis zum Erbrechen studiert und erforscht habe, bei der ich die Tracklist jeder limitierten Single herunterbeten könnte, und die tatsächlich am häufigsten in meiner Sammlung auftritt, dann ist es wohl Sonic Youth. Und einfach nur deswegen gibts hier auch schon die zweite Rezension von ihnen! Ein anderer Grund dafür ist, dass ich seit dem Erscheinen des Albums, der Murray Street-Periode, Fan bin, dass der Besuch meines ersten (und leider bisher einzigen) Sonic Youth-Konzertes auf der Murray Street-Tour war und weil hier vom Cover bis zum letzten Ton bei Sympathy for the Strawberry alles durchtränkt ist von positiven Erinnerungen und Gedanken.

Die Metarmophose der Band vom nihilistischen Noise-Monster, über die hitfähigen "Grunge-Erfinder" (das stammt nicht von mir!) der Dirty-Ära, hin zur verschlafenen (gar nicht mal negativ gemeint) Jam-Band der heutigen Zeit über die Dauer von 25 Jahren war erfreulicherweise immer spannend und erstaunlich ausfallsfrei. Aber dass Sonic Youth gerade im Herbst ihrer Karriere (oder doch schon Winter? Hmm...nee, da kommen dann schon die Best of-Alben und Outtakesammlungen) noch ein paar besondere Juwelen veröffentlichen (eigentlich ist alles seit Washing Machine 1995 Gold wert), damit wahr wohl nicht zu rechnen. Aber man kann dennoch nicht leugnen, dass sie etwas gemütlicher geworden sind, altersweise fast. Am deutlichsten wurde das für mich bisher mit diesem Album. Dass ein Großteil der Songs von Thurston Moore auf der Akustikgitarre geschrieben wurden merkt man sofort, klingen die Opener doch wie elektrifizierte Folk Songs (und so sind sie natürlich angemessen überzeugend als echte Akustikversionen, mitgeschnitten in einer Bandsession des Radiosenders WERS - unbedingt mal suchen!). Das schönste an diesem Album ist jedoch seine Unbefangenheit, seine Mut zur kleinen versöhnlichen (The Empty Page) und zur großen umarmenden (Rain on Tin) Geste. Hier spielt eine Band die wirklich nichts mehr zu beweisen hat, die ihre kuschlige Ruhe im bandeigenen Studio/Bandmuseum gefunden hat (welches leider vor kurzem der Immobilienarmut in New York City zum Opfer fiel und geräumt werden musste - ironischerweise hatte das Studio sogar den, in unmittelbarer Nähe stattfinden, Terrorangriff am 11.9.01 überlebt!). Beweisen wollen sie uns aber trotzdem was. So wird Kim Gordon im finalen Sympathy for the Strawberry von der exalierten No-Wave-Lady zur stillen Märchenerzählerin - Thurston vom coolen, redseligen Sympathieträger zum Romancier an der kaum verzerrten Picking Gitarre. Nur Lee ist immer noch der notorische Trauerkloß der in Karen Revisited alle Weltschmerz-Register zieht - aber dafür lieben wir ihn ja! Schwierig wird es schon, die Beiträge des gerade eingestiegenen Jim O'Rourke auszumachen. Er spielt sich zwar um Kopf und Kragen, doch bei solch präzisen Gitarristen wie Renaldo und Moore es sind, ist es schwer aus dem Schatten zu treten. So bleibt er dabei was er am besten kann und macht den Splitpart von Karen durch seine bekannten, vorallem im Solowerk verwurzelten Ambient-Einschübe zum Ereignis ohne das ganze zum blanken Noise verkommen zu lassen. Also fassen wir es jetzt mal ganz respektlos zusammen: nach einem Indie-Superhit (The Empty Page), drei atemberaubenden, verhuscht jazzigen Mini-Sinfonien (Disconnection Notice, Rain on Tin(!), Radical Adults lick Godhead Style), einem überlangen Ambientschmachter (Karen Revisited), einem krächzenden Totalausfall (Plastic Sun) und dem wohlig-versöhnlichem Ende (Sympathy for the Strawberry) (das sind gerade mal 7 Tracks!) zeigen uns Sonic Youth wie man einen Klassiker bastelt und in Würde altert. Und um jetzt doch nochmal etwas Leidenschaft reinzubringen, preise ich einfach mal Rain on Tin. Es wird schwierig im Sonic Youth-Komos ein ähnlich brillantes Stück zu finden, dass so lyrisch und mitreissend wirkt. Und dabei meine ich keineswegs die Lyrics! So eine dermaßen perfekt durcharrangierte Großtat hat die Band nie wieder hingekriegt und allein schon deswegen verzeihe ich den Plastic Sun-Ausreisser und gebe dem Album die Höchstnote. Einfach so!

Und ich bin drauf und dran der Vinylausgabe auch nochmal die Höchstnote zu geben. Ein derart liebevoll gestaltetes Klappcover (für eine einzelne LP!) habe ich selten gesehen und Murray Street ist auch nach 4 Jahren noch eine der am meisten aus dem Regal geholten LPs - einfach um sich nochmal alles anzuschauen. Man kann bei der Betrachtung der wunderbaren Fotografien New York fast einatmen! Aber bevor ich jetzt zu pathetisch werde, vergeb ich einfach mal eine...hmm...10!

Rating - 10 / 10
Vinyl-Rating - 10 / 10

- CGV -

Dienstag, April 11, 2006

Elvis Costello - This Year's Model

Elvis Costello - This Year's Model

(1978 / Radar Records / 12" Vinyl)

Gilt Elvis Costello heute vorallem als schillernde Figur der frühen 80er-Jahre, hat er seine inspiriertesten und bejubeltsten Alben doch schon Ende der 70er aufgenommen - damit meine ich sein Debüt My Aim is true, den Nachfolger This Year's Model und seinen entgültigen Mainstreamdurchbruch Armed Forces (veröffentlicht im Jahresrythmus ab 1977). Wobei es schon etwas holprig wäre, spätere Glanztaten wie King of America oder Blood and Chocolate uninspiriert zu nennen. Aber einen Superklassiker wie This Year's Model zu toppen ist eigentlich fast ein Ding der Unmöglichkeit und, hier muss man den Kritikern recht geben, es ist auch wirklich Elvis' beste Platte. Was eigentlich einen ganz einfachen Grund hat: hier gibts NUR Hits!

No Action, The Beat, Pump it up, Hand in Hand, (i don't want to go to) Chelsea - alles Tracks die im kollektiven Gedächtnis hängen geblieben sind und zu seinen besten zählen. Hat man halt schonmal gehört vom Titel her. Hört man die Songs dann aber wirklich, wundert man sich erstmal über die Schroffheit trotz derer es die Songs in die Charts geschafft haben. Alles hat so einen eigenartig metallischen Klang und die Arrangements sind mehr als überschaubar. Aber das Album strahlt einfach eine komische Überlegenheit und Coolness aus. War man bei My aim is true schon verblüfft ob des selbstsicheren Auftretens und dem fast formvollendeten, ureigenen Stils des Debütanten, hat Costello sein Image als arschcoole Brillenschlange auf This Year's Model perfektioniert und liefert hier eine Vocal Performance ab, die wirklich sprachlos zurücklässt. Man muss schon ein Faible für diese ganz besondere Art zu singen haben, aber wenn er einen in Pump it up mit einem immer an der Grenze zur Selbstparodie pendelnden Wortschwall niedermäht, kann man schon einigermaßen beeindruckt sein. Hier hat er seinen Stil gefunden, von hier aus konnte er sich in den Folgejahren in alle Richtungen entwickeln. Zweites wichtiges Novum ist natürlich Costellos Backing Band, die Attractions. Auf dem Debüt spielte noch die zusammengewürfelte Truppe Clover (welche immerhin später zu Huey Lewis and the News wurde), doch hier hat man das Gefühl wirklich eine Band zu hören in der jeder gleichberechtigt ist. Das liegt natürlich an der ausgezeichneten instrumentalen Arbeit, hier greift jedes Rädchen, jeder Bassgroove sitzt, trifft auf punktgenaue Schlagzeugarbeit und die Orgel...ja die Orgel. Da sind wir auch schon beim Hauptproblem von This Year's Model. Das Album fällt ungefähr in die Entstehungsphase von verschiedenen Synthies und man wollte natürlich nicht hinterherhinken. Also fährt man bei einigen Songs statt eines stilvollen Pianos einen quietschigen Synthesizer auf. Und so gerät der Schlusspart von (I don't want to go to) Chelsea zum zehrenden Light my Fire (Album Version!!)-Georgel, lässt Living in Paradise in der Strophe leider etwas albern wirken (zum Glück ist es ansonsten eine so tolle Komposition! - auch wenn ich beim Titel irgendwie immer an den unsäglichen Phil Collins denken muss) und erweckt den Eindruck, im Hintergrund von Lipstick Vogue würde jemand Shinobi auf dem Game Boy spielen. Aber irgendwo macht das ja auch den besonderen Charakter des Albums aus und größtenteils ergänzt der Synthie ja auch perfekt! Und man muss ja auch irgendwo was zu meckern haben. Ein Track wie You belong to me, in seiner Simplizität und schieren Brillanz würde sowie selbst tonnenschwere Fehler rausreissen und der Platte eine Höchstwertung garantieren. Achja: so schön es auch ist, diesen Klassiker auf Vinyl zu besitzen, ich muss hier mal eine eindeutige Empfehlung für die Deluxe CD-Edition aussprechen. Jetzt mal ganz im Ernst, selten war eine der berühmten Deluxe Editions so ergiebig - nichtmal die Sonic Youth-Reissues waren so sinnvoll gefüllt. Nur so kann man heutzutage z.B. noch Radio, Radio hören, welches damals für den berühmten Fernseheklat bei Saturday Night Live sorgte, als Costello diesen Track statt das angekündigten, textlich milderen Less than Zero spielte. Auch mit an Bord, 3 unglaublich begeisternde Acoustic-Demos von Green Shirt, Big Boys (beide später als Full Band-Versionen auf Armed Forces) und Running out of Angels. Davon hätte man wirklich gern mehr gehört.

Nichtsdestotrotz hab ich ja hier die UK-Vinylausgabe (also nicht die verstümmelte US-Fassung) und die ist auch wirklich hübsch anzusehen. Ausgestattet mit schön bedrucktem Innencover und ordentlich klingend gepresst auf normalem, schwarzen Vinyl. Mein Exemplar hab ich als 2nd Hand Schnäppchen in Flensburg für 5 Euro erstanden. Also kleiner Tipp: erstmal von DEM hier Vinyl und Deluxe CD kaufen und dann nach weiteren Costello LP's bei Ebay fahnden bevor er irgendwann wieder in sein sollte - man könnte den ein oder anderen Volltreffer landen und ein paar Lieblingsplatten finden!

Rating - 9,5 / 10
Vinyl-Rating - 7,5 / 10

- CGV -

Samstag, April 08, 2006

Bob Dylan - The Times they are a-changing

Bob Dylan - The Times they are a-changing

(1964 / Columbia Records / 12" Vinyl)

Wenn es je einen Preis für das "trockenste" Album aller Zeiten geben sollte, dann würde ihn The Times they are a-changing ganz sicher einheimsen. Trocken und Ernst. Mindestens so ernst wie Bobs Blick auf dem Cover. Kein Schimmern der ätzenden Ironie, welche er auf seinen späteren Alben entdeckt und so puristisch arrangiert und instrumentiert wie irgendwie möglich. Der Stempel "Protestsänger" den er sich mit seinen Auftritten, seinem vorhergehenden, zweiten Album The Freewheelin' Bob Dylan und vorallem mit dem obligatorischen Blowing in the Wind eingebracht hat, trifft hier noch vollends zu. Das Album war binnen 6 Tagen eingespielt, was für Dylan damals eine relativ lange Zeit war (der Nachfolger Another Side of Bob Dylan entstand später 1964 in einer Nacht). Er war ja auch unabhängig, musste noch keine Band koordinieren. Demzufolge gibts auf dieser LP auch wirklich 100% Dylan - Stimme, Akustikgitarre und Mundharmonika. Auf einem der Outtakes der Sessions gibt es (veröffentlicht auf The Bootleg Series vol. 2) ein minimalistisches Piano in Paths of Victory zu hören - der einzige instrumentale Ausreisser aus diesem kargen Schema.

Im Titeltrack klampft sich Dylan durch den gefühlten Nachfolger von Blowing in the Wind - kein anderer Song dieses Albums wurde ähnlich populär und geht so plakativ ("plakativ" natürlich in Dylan-Maßstäben) an die Sache ran. Außerdem ist er der einzige, in dem er so etwas wie Gesang einbringt. Der Ear-Catcher des Albums sozusagen. Song Nr. 2 Ballad of Hollis Brown erzählt dann schon direkter die Geschichte einer verarmten Familie, deren Oberhaupt (Hollis Brown - ein ausnamsweise fiktiver Charakter) sein letztes Geld schließlich für 7 Schrotkugeln ausgibt. Schluck. Es gibt dann zwar auch weniger politische bzw. sozialkritische Songs auf der LP wie bspw. One too many Mornings, doch diese tonnenschwere Ernsthaftigkeit ist ständig präsent. Einige Kritiker bezeichneten es als geradezu "depremierendes Werk, welches man nur in kleineren Dosen zu sich nehmen sollte". Insgesamt könnte man über die musikalische Qualität sagen, dass sich für das nebenherhörende Ohr alles ziemlich ähnlich anhört. Bei Boots of Spanish Leather verwendet Dylan sogar dieselbe Melodie wie beim, nur 1 Jahr zuvor auf The Freewheelin' Bob Dylan erschienenen Hit (!) Girl from North Country. Er bedient sich bei jedem Song (außer eben bei Times they are a-changing) einer beiläufigen Art des Storytellings, trifft aber textlich immer den Punkt. Seine Gitarre spielt ständig neben der Stimme. Und für heutige Verhältnisse ist es ziemlich unglaublich, dass sich auf der ganzen Platte kein einziger Schlagzeugtakt befindet. Doch diese kühle Strenge und Kargheit in Verbindung mit den anklagenden Texten hat irgendwie auch seinen besonderen Reiz. Ausgestattet mit einem atemberaubenden Reimschema immer eine Spur neben dem Takt - Only a Pawn in their Game - auch so ein Texthammer, vorallem wenn man die Zusammenhänge dieser Geschichte über den ermordeten Bürgerrechtler Medgar Evers kennt (Wikipedia!). Überhaupt sollte man schon einiges Verständnis für die Ängste und Nöte dieser Zeit haben um zu begreifen, welche Sprengkraft eine solche Platte damals hatte. Dass ein Song wie With God on your Side, welcher von den waffengewaltigen Missionierungskriegen der USA im Zeichen des Glaubens handelt (gerade tobte der Vietnamkrieg), heute noch so aktuell ist wie damals, sagt schon einiges aus. Nur war es damals nicht nur ein kurzlebiger Modetrend, sich als Musiker gegen die Regierung zu äußern. Es sollte die letzte LP werden auf der Dylan mit derartig erhobenem Zeigefinger von sich weg (in alle möglichen Richtungen!) zeigt. Und wahrscheinlich auch die letzte, die die Folkies, die eingeschworene Protestgemeinde, zu 100% zufriedenstellen konnte.

Mit meiner Ausgabe des Vinyls habe ich so meine Probleme. Ich besitze leider nur die Reissue der Platte von vor ein paar Jahren und genau da liegt das Problem. Klanglich kann ich eigentlich nicht meckern - ich bin auch nicht ein solcher Purist, der unbedingt eine originale Mono-Ausgabe haben muss. Nur wenn auf dem Backcover die berühmten 11 Outlined Epitaphes (ein paar Gedichte von Bob) abgedruckt werden mit dem Vermerk "continued on insert", es aber kein Insert gibt...dann ist das bei einem solchen Klassiker schon ein ziemliches Manko. Das hübsche Hochglanzcover und die solide Aufmachung besänftigen mich dann zwar schon ein bischen, aber insgesamt hätte man sich da schon etwas mehr Mühe geben können.

Rating - 9 / 10
Vinyl-Rating - 5 / 10

- CGV -

Mittwoch, April 05, 2006

Never trust a man with a butt broom in his face!

Mit dieser Weißheit aus dem Vandals-Song Power Mustache eröffne ich meinen angekündigten Beitrag über die zu selten geächtete Geisel der Menschheit - den Schnurrbart (auch gern bezeichnet als Popelbremse oder Pornobalken)! Zurecht wurde man in der Pubertät gemieden, wenn einem die ersten weichen Stoppeln zwischen Oberlippe und Nase sprossen - man spricht dabei vom gemeinen Flaum oder auch Schmutz - und man gar nicht so richtig wusste, was man mit ihnen machen soll. Schon rasieren? Dann wird man ja auch wieder aufgezogen von den garstigen Mädels. Einfach nicht drum kümmern? Ok! Und auch wenn die Jugend immer schneller reift und unsre Erfahrungen von damals alt aussehen lässt, findet man das Phänomen Flaum auch heute noch in deutschen Klassenzimmern! Auch heute noch werde ich von Wusel peinlichst genau darauf hingewießen, wenn mein "Horst" mal wieder etwas zu sehr auffällt. Ist ja auch gar nix dabei, ist halt nur witzig :-D.

Schlimmer ist es dann schon, wenn man diese Unsitte kultiviert und den niedlichen Kleingarten zum prächtigen Park züchtet. War dies kurz nach der Jahrhundertwende bei älteren Geistlichen wie etwa Nietzsche (The Godfather of Horst) oder Einstein durchaus gängig, erwartete man doch danach die gesellschaftliche Tilgung des Schnurrers. Doch wider Erwarten gab es in den späten 70ern und 80ern eine Renaisance als Mode-item für lederne Altrocker oder alternativ (für die Discogeneration) als Objekt der Begierde beim Village People-Bauarbeiter. Nach dieser (zugegebenermaßen sehr schmerzhaften) Revivalphase lernte man wieder, sich richtige Bärte wachsen zu lassen - zumindest für 3 Tage.

Doch nun ist er zurück! Grausam wie eh und je und plötzlich im Gesicht von vermeintlich "coolen" Leuten - Indie-Musikern! So finden sich die Bürsten des Teufels u.a. in Gesichtern von Bandmitgliedern von Death from Above 1979, Two Gallants, We are Scientists und Wolf Parade. Während Jack White sein Aussehen gleich dermaßen vergewaltigt, dass der kleine Mariachi-schnurri eigentlich gar nicht mehr ins Gewicht fällt, tut es mir vor allem um Althelden Nick Cave leid. Ich hoffe der Wetteinsatz lohnt sich dafür, mit verlängerten Streifenhörnchenhorst durch die Welt zu laufen!

Und da Bilder bekanntlich mehr sagen als Worte, holen wir unsre schönen Kandidaten herein! (Für weitere, besonders schöne Exemplare - bitte Google-Bildersuche "Mustache"!)


Spießig! - Death from Above 1979


Geheimnisvoll! - Two Gallants



Aufregend! - Wolf Parade



Verführerisch! - We are Scientists


Ariba! - The White Stripes



Streng aber sanft! - Nick Cave

Dienstag, April 04, 2006

Two Gallants - Las Cruces Jail

Two Gallants - Las Cruces Jail

(2006 / Saddle Creek / 7" Vinyl)

Nach Langem mal wieder eine Huldigung meines Lieblingsformates - der 7" Single! Und wenn in diesem Jahr nichts wesentliches mehr dazwischen kommt haben wir hier den sicheren Platz 2 meiner Jahressinglecharts für 2006! Die Aufnahme stammt zwar bereits aus dem letzten Jahr aber wir gehen hier ja wohl nach dem Erscheinungsdatum (das gilt übrigens auch für 29 von Ryan Adams (VÖ am 6.1.06) wenn ich es denn tatsächlich irgendwann zu hören bekommen sollte und für gut befinde!). Wir wollen uns ja mal nicht so anpieschen! Und auch wenn eine gewisse Grundskepsis gegenüber aktuellen Hypes durchaus wichtig ist, darf man hier offenbar unbedenklich in die Lobchöre einstimmen. "Offenbar", weil ich wirklich nur diese Single kenne, aber schon derart begeistert bin, dass ich einfach selber einen kleinen CGV-Hype starten werde ;-) .

Kommen wir mal zum Wesentlichen. Im Sinne der Two Gallants müsste ich die Rezension ihrer Single Las Cruces Jail eigentlich kurz mit einem "sehr gut" und keinen weiteren Erklärungen abfertigen, denn der Sound dieser Band wirkt tatsächlich so naturbelassen und eben "wesentlich" wie der Blick aufs Cover und die Erwartungen an eine neue Saddle Creek-Veröffentlichung erahnen lassen. Und wenn ich soeben schonwieder diesen Labelnamen niederschreibe wird mir bewußt, dass ich Saddle Creek gewissermaßen ziemlich hype. Aber was will man machen wenn diese Typen seit Jahren hochklassige Veröffentlichungen am Fließband rausbringen, dabei einige Meisterwerke produzieren (I'm wide awake it's morning, Album of the Year) und nur ganz ganz selten mal danebengreifen (Mayday)? Jedenfalls sind die Two Gallants mal wieder ein sehr lohnendes Signing. Faktenmäßig gibts auch nicht wirklich viel zu berichten. Erwießenermaßen gibt es inzwischen zwei Alben (The Throes, What the toll tells) die ich beide noch nicht gehört hab. Gerüchteweise haben sie sich nach einer Geschichte aus James Joyce' Dubliners benannt. Und (leider ebenfalls erwießen) hat eines der beiden Bandmitglieder einen unglaublich...unglaublichen Schnurrbart im Gesicht hängen (über die grasierende Schnurrbartseuche bei aktuellen Indiebands gibts garantiert auch bald einen Blog-Beitrag - was ist mit denen los?).

Da ich den Track zuallererst von einer Rolling Stone New Voices CD kannte (auch darauf: die Single des Jahres: Funny Little Frog!), war ich einigermaßen überrascht vom Morricone-Intro, welches ihn in der Single Version einleitet. Pfeifender Präriewind, wehende Büsche über die Straße - hier wird gar nichts ausgespart! Und das alles ist nichtmal ironisch gemeint, denn der Song flüchtet sich in waschechte Clint Eastwood-Lyric. Well I shot one man on the county line. Took his dime and I blew his mind. Now I'm just sittin' here doin' time. Sun, don't you rise no more. HuiHuiHui! Die Stimme krächzt wie ein morsches Wagenrad, das Schlagzeug klöppelt wie die schwingende Saloontür. Auf der B-Seite gibt es mit Long Summer Day (hier in der Acoustic-Version - habe leider keinen Vergleich zur elektrischen) sogar noch härteren Stoff. Unser Protagonist ist plötzlich ein schuftender "Nigger" auf südstaatlichen Baumwollplantagen und sein Vater wurde Opfer des KKK (denkwürdige Textzeilen: When i was about the age of five, i watched my daddy burned alive. They cut him low and they hung him high, swaying in the breeze. But the last words i heard him say before they stole his life that day was "Forgive them lord, they've gone astray. Please take me to my ease."). Amerikanische Geschichtsbewältigung also. Und ist man gesangstechnisch von Saddle Creek Künstlern ja schon einiges gewohnt (siehe vorallem: das zweite Bright Eyes Album Fever and Mirrors), übertreffen die Two Gallants ihre Labelkollegen nochmal um ein Vielfaches und schnaufen derart um die Wette, dass es die Single einfach wirklich nur zum Ereignis macht. Ich vergebe erstmal vorsichtige 9 von 10 Punkten. Potentielle Aufwertung möglich.

Zum Vinyl gibts auf den ersten Blick mal gar nix zu sagen. Die schwarze 7" steckt im einigermaßen stabilen Pappschuber, ist jedoch nicht extra eingepackt. Erst nach dem Hören der Songs jedoch merkt man, wie die beiden Coverseiten darauf abgestimmt sind. Hört man die A-Seite blickt man auf ein verwehtes Wüstengrab. Dreht man nun auf B, kann man sich anhand des Fotos die Arbeit auf der Plantage vorstellen. Das wertet das eigentlich unspektakuläre Cover doch nochmal ganz schön auf!

Rating - 9 / 10
Vinyl-Rating - 7,5 / 10

- CGV -