Clear Green Vinyl

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The question isn't "What are we going to do?", the question is "What aren't we going to do. (Ferris Bueller)

Mittwoch, Mai 10, 2006

Radiohead - The Bends

Radiohead - The Bends

(1995 / Parlophone Records / 12" Vinyl)

Es gibt nur wenige Bands denen ich für eine Platte eine glatte 11 verleihen möchte. Radiohead gehören auf jeden Fall dazu - aber nicht mit diesem Album. Denn obwohl die Medien es nach deftiger Schelte beim Erscheinen neuerdings zum frühen Meisterwerk der Band hochstilisieren (z.B. Platz 110 der 500 Greatest Albums of All Time im Rolling Stone weit vor Kid A - und das nach einer damaligen 2 von 5-Sternen Bewertung!), fehlt mir hier noch ein bischen die Identität und das Unverwechselbare, das Radiohead später ausmachen sollte. Man muss natürlich zugeben, dass die Platte für ein zweites Album (nach dem eher durchwachsenen aber durchaus mit einigen Highlights bepackten Debüt Pablo Honey) doch ziemlich erwachsen klingt. Aber romantisiert man bei anderen Bands die Spontanität und Frische ihrer Anfangstage, vermisse ich bei The Bends doch gerade das Durchkomponierte, das nie zuvor gehörte, die Suche nach Neuem, derer sich Radiohead schon auf dem Nachfolger und absoluten Meilenstein OK Computer verschrieben hatten. Und auch heute noch scheint sich die Band der Zwiespältigkeit dieser Platte bewusst zu sein. Werden absolute Klassiker wie Just oder Planet Telex noch immer live gespielt, redet über Songs wie Sulk heute keiner mehr. Und damals?

Zynisch bis aufs Mark durch die Medienreaktionen- und Reduktionen auf den Hit Creep (den sie danach lange lange nichtmehr live spielen wollten), machte man sich Ende 1994 an die Aufnahmen von The Bends. Zynisch durfte man auch sein, war doch vorallem Sänger Thom Yorke Zielscheibe der Medien (und wir wissen ja, wie es so ist mit den britischen Medien) die aus ihm einen (imagemäßig) zweiten Cobain machen wollten. Das Fass zum überlaufen brachte schließlich ein Artikel im NME in dem Yorke einige eindeutige Vergleiche im Zusammenhang mit kurz vorher verstorbenen Nirvana-Sänger ertragen musste und indirekt bereits auch sein Tod prophezeit wurde (wohl anhand der nicht gerade erbaulichen Lyrics der meisten Radiohead-Songs). Doch später wusste man: je mehr Isolation, je mehr Rückzug, desto besser für eine Radiohead Platte. Und auch wenn es im ersten Absatz vielleicht Anderes vermuten lässt, dieses Album ist schon wahnsinnig gut! Der Opener Planet Telex, von Yorke angeblich nach einer nächtlichen Kneipentour etwas besäuselt eingesungen, vermittelt eine selten zur Schau gestellte Leichtigkeit und könnte auch die abgespeckte Version eines OK Computer-Songs sein. Vorallem zeigt er Yorkes Stimme erstmals so ausgebildet, wie sie bis heute diskutiert wird. Ist sie jetzt quäkig nervend oder klassisch genial? Der folgende Titeltrack schlägt dann eher in die Kerbe des Vorgängeralbums und manifestiert Radiohead hörbar als 3-Gitarren-Band - man könnte fast ketzerisch sagen: Stadion-Rock...naja aber nur ein kleines Stadion! Das schon von einer vorhergehenden EP (sehr empfehlenswert!) bekannte My Iron Lung schlägt in eine ähnliche Kerbe. High and Dry klingt in meinen Ohren dann schon weniger spannend und mit Black Star, Nice Dream und Sulk verliert sich die Band doch schon etwas im unpointierten Gesäusel. Die gewisse Faszination, die Aura die sich Radiohead später aufgebaut haben, fehlt hier eben. Aber sie arbeiten daran: Fake Plastic Trees, Just und Street Spirit (Fade out) sind 3 absolute Klassiker und ziehen das Album aus dem "Schön aber hör ich relativ selten"-Pool. Mit Just machte sich Jonny Greenwood im Handumdrehen vom unauffälligen Lead-Gitarristen mit den komischen Haaren zum Gitarrenhelden einer ganzen Generation (und später zum kongenialen Multiinstrumentalisten und schüchternen Publikumsliebling der die Band auf neue Pfade führen sollte). Eine derartige Dichte an genialen Passagen gepaart mit Yorkes nonchalantem Gesang - genau die richtige Mischung aus "alten" und "neuen" Radiohead. Und Street Spirit ist schließlich das erhabene Schlussstück und deutet unnachgiebig in Richtung Zukunft. Auf einmal klingen Radiohead kernig, sie bündeln ihre Stärken und schreiben mit dieser simpel-genialen Melodie (die wahrscheinlich jeder schonmal gehört hat) sogar einen Single-Hit. Diese Songs sind wohl der Grund dafür, dass nicht wenige Fans The Bends sogar als ihr Lieblingsalbum nennen. Doch dass ich, während ich diese Rezension schreibe, schon darüber nachdenke, wie ich OK Computer oder Kid A beschreiben würde, spricht für sich. Aber andersrum: Spricht es nicht für eine Band, wenn sie ein so geniales Album wie The Bends noch toppen kann?

Die schwere, schwarze 12" kommt im einfachen Schuber, hat aber ein dickes bedrucktes Innersleeve. Das Cover, ein Thom Yorke Crash Test Dummie, wurde zwar erstmals von Haus-und Hof-Designer Stanley Donwood in Zusammenarbeit mit Yorke entworfen und sieht angemessen merkwürdig aus, aber der Rest des Designs ist leider eher eine zusammengewürfelte Grundschul-Collage ohne Zusammenhang. Trotzdem schöner als so manch andere Platte.

Rating - 9 / 10
Vinyl-Rating - 8 / 10

- CGV -