Clear Green Vinyl

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The question isn't "What are we going to do?", the question is "What aren't we going to do. (Ferris Bueller)

Sonntag, Mai 07, 2006

Aphex Twin - Come to Daddy

Aphex Twin - Come to Daddy

(1997 / Warp Records / 12" Vinyl)

Wenn sich die Mathcore-Könige von The Dillinger Escape Plan mit Mr.Bungle/Fantomas-"Sänger" Mike Patton zusammentun um eine Coverversion aufzunehmen, dann ist Schlimmes zu befürchten. Und man kriegt tatsächlich Schlimmes. Doch wenn es diese Coverversion, ich spreche von ihrem Track Come to Daddy, zu finden auf der 2002er EP Irony is a Dead Scene, nicht mal annähernd schafft das Original an Wahnsinn und Überdrehtheit zu erreichen und es stattdessen dagegen sogar recht handzahm wirkt, dann kann da wohl was nicht stimmen. Und es scheint tatsächlich etwas nicht zu stimmen mit Aphex Twin.

Um sich in der unglaublich undurchsichtigen Welt des Richard D. James orientieren zu können muss man schon einiges tun. Man muss sich durch seine unzähligen Pseudonyme kämpfen (Aphex Twin, AFX, Polygon Window, Caustic Window, Power Pill, Gak, Bradley Strider, Q-Chastic, usw.), steht zahllosen Musikstilen gegenüber (von reinem Ambient über relativ klare Drum&Bass-Stücke bis zu extrem verhaspelten Acid-Techno-Tracks und minimalistischen Piano-Überbleibseln) und brauch einfach mal eine hohe Toleranzschwelle, denn, mit Verlaub, einiges was der mitlerweile 35jährige Ire in seiner 15 Jahre weilenden Laufbahn produziert hat ist einfach unhörbar. Auch sollte man nicht unbedingt Anspruch darauf erheben irgendwann eine lückenlose Aphex Twin Vinylsammlung zu haben, denn trotz längerer Pausen ist James für seine Veröffentlichungswut bekannt (aktuellstes Beispiel: die letztjährige Vollendung der 11-teiligen 12" Vinyl Serie Analord, eine Reihe von Singles die ausschließlich auf analogem Equipment entstanden sind). Einen kleinen Überblick über seine Discography gibts hier. Aber wo jetzt anfangen? Seine wohl populärste Single und meiner Meinung nach auch ein sehr guter Einstiegspunkt ist Come to Daddy. Im CD Format eigentlich eine EP mit immerhin 8 Tracks, würde ich die auf 4 Songs gestutzte Vinyl-Variante eher schon Single nennen, auch wenn keiner der Tracks auf einem seiner Alben zu finden ist. Dass ausgerechnet der Titeltrack die Aufmerksamkeit des Mainstream-Publikums auf sich zog hat wohl einerseits mit dem mehr als bizarren Chris Cunningham-Video zu tun, dass man einfach nicht übersehen kann. Andererseits hat der der Song mit seinem verzerrten Gitarrenriff durchaus Crossover-Potential, so abgeschmackt das jetzt auch klingen mag. Und obwohl James in Underground-Kreisen schon nach kurzer Zeit einen Legendenstatus inne hatte, betrachtete er seine wachsene Popularität eher mit gemischten Gefühlen - vorallem in Bezug auf diese Single ("Come to Daddy came about while I was just hanging around my house, getting pissed and doing this crappy death metal jingle. Then it got marketed, and a video was made, and this little idea that I had, which was a joke, turned into something huge. It wasn't right at all."). Ganz so abnehmen mag man ihm das aber nicht, denn auch wenn James die durcheinanderwirbelnden Drum-Patterns wahrscheinlich im Vorbeigehen produziert, hört man dem Track seine Arbeit und die schier brilliante Komposition an. Aber irgendwo auch verständlich: Plötzlich glaubte jeder das Warp Label wäre sowas wie ein heiliger Schrein der ausschließlich innovative Wunderwerke der "Intelligent Dance Music" (wieder so ein eigenartiger Begriff) beheimatet. Absolut unverträgliche Künstler wie Squarepusher oder Boards of Canada bekamen ihre 15 Minuten Ruhm und machten danach weiter das was sie auch bisher gemacht hatten - einfach elektronische Musik. Die restlichen Tracks auf Come to Daddy zeigen dann nochmal Aphex' ganze Bandbreite, wobei besonders Flim der extreme Gegenpart zum Titeltrack ist. Bucephalus Bouncing Ball klingt schließlich eigentlich genauso wie man es sich bei dem Titel vorstellt und ist in seiner Stilvielfalt gewissermaßen eine kleine Zusammenfassung von James' Schaffen. Es mag bessere Arbeiten von Aphex Twin geben, der nächste Anlaufpunkt wäre die von mir vergötterte Girl/Boy-EP, aber einen besseren und spannenderen, ja überwältigenderen Ansatzpunkt als Come to Daddy wird man so schnell nicht finden.

Das Cover ist natürlich Geschmackssache, stellt sich aber als absolut bezeichnend für diese Scheibe heraus. Auf der Rückseite gibts in großen Lettern nochmal alle Songtitel. Ein einfaches Sleeve beherbergt diese schwarze 12". Der Klang ist angemessen wuchtig und laut. Gibts nichts zu meckern.

Rating - 8,5 / 10
Vinyl-Rating - 7,5 / 10

- CGV -